Halbzeit am Lido
7. September 200925 Filme konkurrieren in diesem Jahr um den begehrten Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig. Doch ein wirklicher Favorit ist noch nicht auszumachen. Stars und Sternchen präsentieren sich wie gewohnt in der Lagunenstadt. Die Pressefotografen veranstalten Blitzlichtgewitter, und die Stars strahlen in die Kameras. Die Filmemacher präsentieren ihren Film im Wettbewerb und beantworten artig die Fragen der Journalisten auf den Pressekonferenzen. Also alles beim Alten?
Enttäuschender Auftakt
Im Prinzip schon. Natürlich stören die längeren Wege zu den Filmen. Je eine Baustelle vor den altehrwürdigen Festivalpalästen zwingen die Besucher, einen Umweg zu machen. 2011 soll der neue Festivalpalast eröffnet werden. Was noch mehr störte, war der enttäuschende Eröffnungsfilm des Wettbewerbs. In "Baaria" erzählt der italienische Oscarpreisträger Giuseppe Tomatore eine Familiengeschichte über drei Generationen hinweg. Eine Aneinanderreihung von Anekdoten und Klischees. Die Musik von Ennio Morricone mache alles nur noch schlimmer, erbosten sich die italienischen Kritiker. Weiter ging es ebenso enttäuschend: der zweite Film im Wettbewerb war die lang erwartete Cormac McCarthy-Verfilmung "The Road" von John Hillcoat. Der Thriller zeichnet ein düsteres Bild nach einer Klimakatastrophe. Ein Szenario, wie man es aus einigen Hollywood-Filmen bereits kennt.
Altmeister in gewohnter Qualität
Der deutsche Filmemacher Werner Herzog und der US-amerikanische Dokumentarfilmer Michael Moore haben am Wochenende ihre Filme im Wettbewerb vorgestellt. Herzog überraschte in Venedig mit einem zweiten Film im Wettbewerb. Nach "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans" mit Eva Mendes und Nicolas Cage in den Hauptrollen tritt Herzog mit "My Son, My Son, What Have Ye Done" im Kampf um den Goldenen Löwen an. "Ich wollte einen Horrorfilm ohne Blutbad und Kettensägen machen", sagt Werner Herzog über sein Drama, das in San Diego spielt. Ein Mann ist besessen davon, einen Fluch ablegen zu müssen und ermordet seine überbehütende Mutter. Ein Muttermord im Stil der griechischen Mythologie. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Filmfestspiele ist ein Regisseur mit zwei Werken vertreten. Ob diese Doppel-Präsenz ein Vor- oder Nachteil ist, werden wir sehen.
Michael Moore brachte seine Analyse des kapitalistischen Krisensystems mit, das die Reichen immer reicher macht und die Armen ins Elend treibt. Der Dokumentarfilm "Capitalism: A Love Story" ging am Sonntag als ein chancenreicher Kandidat ins Rennen. Dem beliebten Systemkritiker Moore gelang vor genau 20 Jahren der Durchbruch mit seiner Doku "Roger and me". Seine Abrechnung mit US-Präsident George W. Bush in "Fahrenheit 9/11" brachte ihm die Goldene Palme von Cannes ein. Das war vor fünf Jahren.
Und die anderen?
Der deutsche Regisseur Fatih Akin hofft mit "Soul Kitchen" auf Erfolg am Lido. Doch wie gut seine Chancen auf den Goldenen Löwen sind, bleibt abzuwarten. Denn das Konkurrenz-Umfeld ist prominent und erfolgverwöhnt. Oscarpreisträger Steven Soderbergh ist mit der Komödie "The Informant" dabei und Oliver Stone mit einem unkonventionellen Blick über die US-Grenzen nach Süden, Titel: "South Of The Border". Hollywood-Produktion oder europäisches Kino? Am kommenden Wochenende werden wir es wissen. (cp/sc/dpa/epd)