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Brzuska: "Die Kriegserfahrung ist schockierend"

Nils Naumann2. August 2014

Die deutsche Wissenschaftlerin Christina Brzuska erlebt den Krieg in Tel Aviv hautnah mit. Im DW-Interview erzählt sie, wie sie mit dem Raketenbeschuss umgeht und warum sie trotz der Gefahr in Israel bleibt.

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Israel Rakettenangriff Tel-Aviv
Bild: DAVID BUIMOVITCH/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Wie wirkt sich der Krieg auf Ihr Leben aus?

Christina Brzuska: Ich bin in Tel Aviv. In Südisrael gibt es viel häufiger Raketenalarm. Dort hat man sieben oder 15 Sekunden bis zum Einschlag der Rakete. Da ist es wahnsinnig schwer, das Alltagsleben aufrechtzuerhalten. Wir haben in Tel Aviv eineinhalb Minuten. Und das reicht, wenn man auf der Straße ist, um schnell Schutz zu suchen.

Wie oft mussten Sie sich nach einem Alarm in Sicherheit bringen?

Das habe ich nicht gezählt. Es war wirklich oft. Es gab sehr viele Alarme. Es ist immer noch etwas sehr furchteinflößendes und sehr aufregendes.

Was fühlen Sie in so einem Moment?

Man hofft, dass nichts passiert. Man nimmt seine Sachen, geht ins Treppenhaus, trifft da seine Nachbarn. Der letzte Alarm war um halb drei nachts, da bin ich geweckt worden. Meine Nachbarn haben ihre schlafenden Kinder rausgetragen. Dann saßen wir da und haben auf die Explosionen gewartet. Dann hat man sie gehört und dann sind wir wieder zurück. Das macht schon Angst.

Wie gehen Sie mit dieser Angst um?

Ich lenke mich ab. Wenn ich sehe, dass andere Angst haben, dann habe ich das Gefühl, dass ich stark sein möchte, sie aufmuntern und unterstützen möchte. Das hilft mir auch.

Wie versuchen Sie, die anderen aufzumuntern?

Man macht makabere Witze. Meine Nachbarin hat angefangen zu stricken. Die hat beim Alarm ihre Stricksachen mitgenommen. Da habe ich gesagt: "Ist ja schön, dass ich mal sehe, wie weit du inzwischen gekommen bist."

Christina Brzuska
Christina BrzuskaBild: Privat

Haben Sie überlegt, das Land zu verlassen?

Ich war vorübergehend in Italien. Da konnte ich mir überlegen, ob ich zurückkomme. Aber erstens lebe ich hier. Zweitens finde ich es ganz wichtig, meine Solidarität zu zeigen. Es gibt ein sehr großes Israel-Bashing auf sozialen Plattformen, auch in Medien. Die israelische Seite wird nicht so oft dargestellt. In Europa gibt es Angriffe aus Synagogen aufgrund des Krieges.

Außerdem ist das Sicherheitsrisiko vertretbar in Tel Aviv. Den Menschen in Südisrael geht es deutlich schlimmer. Einige meiner Freunde sind eingezogen worden. Ich muss hier nicht kämpfen. Ich muss "nur" in den Bunker gehen, wenn ein Alarm kommt. Insofern habe ich mich dann entschieden, wieder nach Israel zurückzufliegen.

Es gibt viel Kritik an Israel wegen der zivilen Opfer in Gaza. Ist das Schicksal der palästinensischen Zivilbevölkerung in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis ein Thema?

Das ist ein großes Thema. Die Frage ist, ob man sich davon erpressen lässt. Alle finden die Situation in Südisrael schrecklich. Alle finden, dass man darauf reagieren muss. Die Tunnel der Hamas sollten zerstört werden. Es sind aber genauso alle betroffen über die zivilen Opfer unter den Palästinensern.

Welche Rolle spielen die Kriege bei der Bewertung Ihrer Zeit in Israel?

Die Kriegserfahrung ist schockierend. Gar keine Frage. Zwischen den beiden Gaza-Kriegen, die ich miterlebt habe, gab es aber auch eineinhalb Jahre ohne Krieg. Die waren sehr schön und unbeschwert. Wir haben sehr viele namhafte Wissenschaftler hier. Ich bekomme direkt mit, was die Spitzenforschung weltweit so treibt. Wissenschaftlich ist es großartig. Und ansonsten ist Tel Aviv tatsächlich eine so großartige Stadt, wie meine Freunde mir das vorher beschrieben haben.

Die deutsche Mathematikerin und Kryptografin Christina Brzuska arbeitet seit 2012 an der Universität Tel Aviv.