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Der Fall Ermyas M.

Lydia Leipert7. Februar 2007

Vor knapp zehn Monaten wurde der Afro-Deutsche Ermyas M. in Potsdam auf offener Straße zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Vor dem Landgericht Potsdam beginnt nun die Hauptverhandlung des Falls.

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Ermyas M.
Wurde ihm seine Hautfarbe zum Verhängnis? (Archivbild)Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft glaubt zu wissen, wie die brutale Tat ablief: Ermyas M. wartete demnach in der Nacht auf Ostermontag 2006 an einer Haltestelle in Potsdam auf die Straßenbahn. Zwei Männer liefen vorbei, es kam zum Streit. Der Angeklagte Björn L. schlug dem dunkelhäutigen Deutschen mit der Faust ins Gesicht - der erlitt einen Schädelbasisbruch und wurde halbtot am Straßenrand liegen gelassen. Der Verdächtige Björn L. muss sich nun wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten. Sein Freund Thomas M. ist aufgrund unterlassener Hilfeleistung und Beleidigung angeklagt.

Handymitschnitt beweist Rassismus

Warum hatte Björn L. so brutal zugeschlagen? War Ausländerhass im Spiel? Der Anwalt des Angeklagten, Matthias Schöneburg, schließt vor Beginn der Hauptverhandlung am Mittwoch (7.2.2007) eine rassistische Motivation aus. "Man kann aus dem Sachverhalt, nachdem man die vorliegenden Beweismittel geprüft und nachdem man die Augenzeugen gehört hat, beim besten Willen nicht von einer ausländerfeindlichen Tat ausgehen."

Dennoch beweist ein Handymitschnitt, dass Ermyas wegen seiner dunklen Hautfarbe rassistisch beschimpft wurde. Almuth Berger, die ehemalige Ausländerbeauftragte in Brandenburg, weiß vom unterschwelligen Fremdenhass in ihrem Bundesland. Denn immer wieder finden in Brandenburg ausländerfeindliche Übergriffe statt. Ermyas wurde ihrer Meinung nach allein aufgrund seiner Hautfarbe zusammengeschlagen. Eine Meinung, mit der Almuth Berger nicht allein ist.

Berichterstattung ebbte ab

Mahnwache nach dem Angriff auf Ermyas M.
Zeichen gegen Rassismus: Am Tatort legen Passanten Blumen nieder (23.4.2006)Bild: AP

Doch Ermyas Rolle in der Tatnacht ist umstritten. Er soll stark betrunken gewesen sein und auch selbst seine Angreifer angepöbelt haben: Er soll Thomas L. beschimpft haben und versucht haben, ihn zu treten. Als dies bekannt wurde, änderte sich die enorme Berichterstattung in den Medien schlagartig. Zuvor hatte der Fall als rassistischer Mordversuch die Titelseiten aller Zeitungen gefüllt. Aber dann war plötzlich nur noch die Rede von einer Schlägerei zwischen Betrunkenen. Almuth Berger verurteilt diese extrem unterschiedliche Bewertung des Falls in den Medien. "Wenn er hoch gespielt wird, ist es nicht in Ordnung und wenn er heruntergespielt wird und gesagt wird: ,Das ist ja überhaupt kein fremdenfeindlicher Vorfall, sondern da hat es wahrscheinlich nur eine Prügelei zwischen Betrunkenen gegeben', ist das genauso falsch."

Welche der Deutungen stimmt, wird nun das Potsdamer Gericht entscheiden. Zwar spielen die rassistischen Motive für die Anklage keine entscheidende Rolle. Aber im Prozess, bei dem mehr als 60 Zeugen und Gutachter geladen sind, können "rassistische Beweggründe" die Strafe verschärfen.

Ermyas selbst ist wieder wohlauf. Nur mit dem Konzentrieren hat er heute noch Probleme. Das macht dem 37-jährigen Bauingenieur das Schreiben an seiner Doktorarbeit schwer. Ehrenamtlich setzt er sich für Initiativen gegen Rechts ein. Almuth Berger schätzt seine Bemühungen: "Er war ganz engagiert, regelrecht begierig, Projekte mit in Gang zu bringen. Das hat mich schon sehr beeindruckt, wenn jemand, der so angegriffen worden ist, so reagiert und nicht als Erstes Rachegedanken hat."