Britische Altersvorsorge – ein Vorbild?
3. November 2003Deutschland und Großbritannien gelten als Prototypen unterschiedlicher Rentensysteme in Europa. In Deutschland gilt seit über 100 Jahren der Generationenvertrag: Die Alterssicherung wird durch Beiträge der Jüngeren gesichert. Es ist nur eine Rente gesetzlich vorgeschrieben und diese berechnet sich nach den Einzahlungen während des Arbeitslebens. Durch die Rente soll ein einmal geschaffener Lebensstandard im Alter gehalten werden. Die lang diskutierte Basisrente gibt es hierzulande noch nicht. Man findet sie aber in Großbritannien.
Basisrente für die Grundversorgung
Die britische Basisrente soll die Grundversorgung sicherstellen, unabhängig vom früheren Einkommen. Sie liegt allerdings meist unter dem Sozialhilfesatz. Den einmal erworbenen Lebensstandard sichert sie also nicht. Dazu wurde 1976 eine gesetzlich vorgeschriebene Zusatzrente im Rahmen des State Earnings Related Pensions Scheme (SERPS) geschaffen. Diese orientiert sich am durchschnittlichen Einkommen des Empfängers. Wer mehr verdient, zahlt höhere Beiträge, bekommt später aber mehr Rente. Die Basisrente und die SERPS-Zusatzrente werden im Umlageverfahren finanziert, also durch Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber. Was fehlt, bezuschusst der Staat.
Motivationen für private Absicherung
Die Arbeitnehmer haben jedoch die Möglichkeit, sich von der Pflichtzugehörigkeit zum SERPS-System befreien zu lassen. Voraussetzung ist, dass sie eine vergleichbare Alterssicherung nachweisen können. Diese erfolgt zum überwiegenden Teil durch Rentenfonds, die Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer einrichten.
Wechselt ein Versicherter aus dem SERPS-System in eine Absicherung durch seinen Betrieb, reduzieren sich seine Sozialversicherungsbeiträge. Schließlich wird nur noch die Grundsicherung in Anspruch genommen. Da es aber im Interesse des Staates liegt, dass möglichst viele Arbeitnehmer sich über ihren Betrieb absichern, gewährt er Beitragszahlern die aus dem SERPS-System aussteigen, steuerliche Anreize.
Alterssicherung ist Sache des Einzelnen
Dahinter steht das Ziel, die Verantwortung für die Alterssicherung stärker auf den Einzelnen zu übertragen. Das staatliche Rentensystem, das sich durch Umlage der Beitragsgelder finanziert, soll durch Systeme entlastet werden, die auf angehäuftem Kapital fußen. Mit Erfolg: 86 Prozent der Männer und 77 Prozent der Frauen mit Vollbeschäftigung sind derzeit von der staatlichen Zusatzversorgung befreit und über einen betrieblichen oder privaten Rentenfonds ("Stakeholder Pension") versichert.
Rentenfonds helfen der Volkswirtschaft
Die Rentenfonds werden von Treuhändern verwaltet. Sie legen die Beträge für die private Zusatzrente überwiegend in Aktien an. Neben der Entlastung der klassischen Rentenkassen bringen die Rentenfonds immense Summen an den Kapitalmarkt. Das kann der Volkswirtschaft dienen.
Ein Vorbild für Deutschland? Nur bedingt: Denn mit dem Einbruch der internationalen Börsen verloren auch viele Rentenfonds an Wert. Entsprechend fielen bei zahlreichen Rentenempfängern die ausgezahlten Beträge um mehr als 20 Prozent. Das Vertrauen ist nachhaltig erschüttert. Außerdem ist die volkswirtschaftliche Macht der Treuhänder nicht zu unterschätzen. Immerhin arbeiten diese mit Milliardenbeträgen.
Viele Reformen bis zur Privatisierung
Nicht zuletzt krankt auch das britische System an der wachsenden Zahl der Rentenempfänger und der sinkenden Zahl der Beschäftigten: Je mehr Versicherte sich ihre Renten auszahlen lassen und je weniger Einzahlungen geleistet werden, desto schwächer und unsicherer werden die Fonds.
Bleibt zu erwähnen, dass das britische System in den letzten 55 Jahren ständigen Reformen unterzogen war und über viele Jahre hinweg in diesen Standard der hohen Privatisierung geführt wurde. Das Vertrauen der Briten in ihr Rentensystem beruht also auf jahrzehntelanger Erfahrung und ließe sich nicht auf Deutschland übertragen.