Parlament stimmt gegen alle Brexit-Varianten
27. März 2019Das britische Parlament hat sich nicht auf eine Alternative zum Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May einigen können. Verschiedene Varianten einer engeren Anbindung an die EU lehnten die Abgeordneten am späten Abend genau so ab wie ein zweites Referendum oder einen Austritt ohne Abkommen. Am Ende erhielt keiner der acht Alternativ-Vorschläge zum Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May eine Mehrheit.
Dafür hatten Abgeordnete der Regierung zeitweise die Kontrolle über die Tagesordnung im Unterhaus aus der Hand genommen. Mit diesen richtungweisenden Abstimmungen wollte das Parlament ausloten, für welche Alternativen es eine Mehrheit gibt. Auch den Montag haben sich die Abgeordneten bereits für ihre Zwecke reserviert.
Verordnung zu späterem Austritt gebilligt
Einigen konnten sich die Parlamentarier immerhin in einem Punkt: Sie stimmten formell dafür, die mit der EU vereinbarte Verschiebung des Brexit-Termins auf den 12. April oder 22. Mai in britisches Recht umzusetzen. Ursprünglich sollte Großbritannien die EU an diesem Freitag verlassen. Doch der Termin war wegen des Streits um den Brexit nicht mehr zu halten.
Die EU bot London in der vergangenen Woche eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus noch in dieser Woche dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.
Das Parlament hatte den Brexit-Vertrag bereits zweimal mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die Regierung strebt nun eine weitere Abstimmung für Donnerstag oder Freitag an. Parlamentspräsident John Bercow machte am Mittwoch allerdings erneut deutlich, dass dies nur möglich sei, falls es weitreichende Änderungen an dem Vertrag gebe. Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der EU ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet.
May bietet Rücktritt an
Nach Ansicht von Beobachtern kann May nun wieder hoffen, doch noch eine Mehrheit für ihr Brexit-Abkommen zu bekommen. Dafür würde sie in naher Zukunft ihr Amt aufgeben, wie May bekanntgab. Sie werde in diesem Fall die nächste Phase der Brexit-Verhandlungen nicht leiten, sagte May in einer Rede vor Abgeordneten ihrer konservativen Partei. "Ich bin darauf vorbereitet, diesen Posten früher zu verlassen als beabsichtigt, um das Richtige für unser Land und für unsere Partei zu tun." Sie wisse, dass es auch den Wunsch nach einer neuen Führung gebe – "ich werde mich dem nicht in den Weg stellen". Einen genauen Zeitpunkt für ihren Rücktritt nannte May allerdings nicht.
Scharfe Kritik an Mays Rückzugsangebot äußerte die Schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon: "Wenn der Brexit am Ende auf der Basis eines Deals durchgesetzt wird, den niemand unterstützt - ein Deal, der so schlimm ist, dass die Premierministerin sogar ihren Rücktritt versprechen muss, um ihn durchzubringen - wird das ein ohnehin schon schlechtes Projekt noch verschlimmern." Sturgeons Schottische Nationalpartei (SNP) lehnt den EU-Austritt generell ab. Die Chefin der Regionalregierung hatte während des Brexit-Tauziehens wiederholt mit einem erneuten schottischen Unabhängigkeitsreferendum gedroht.
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte, an ihrem Angebot sei erkennbar, dass bei ihren Brexit-Verhandlungen "Partei-Management im Mittelpunkt stand anstelle von Prinzipien oder dem öffentlichen Interesse".
Bereits am vergangenen Wochenende war in Medienberichten über mögliche Interimsnachfolger spekuliert worden. Dazu zählen demnach der EU-freundliche Vizepremier David Lidington und der Brexit-Anhänger und Umweltminister Michael Gove. Beide zeigten sich der Premierministerin gegenüber aber äußerst loyal.
kle/cvo (dpa, rtr, Phoenix)