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Brasiliens Präsidentin Rousseff abgesetzt

12. Mai 2016

Brasiliens Staatschefin muss ihr Amt vorläufig abgeben. Der Senat stimmte mit 55 zu 22 Stimmen für eine Suspendierung von zunächst 180 Tagen, um mögliche Amtsverfehlungen Rousseffs juristisch untersuchen zu lassen.

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Brasiliens suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff (Foto: Getty Images/AFP)
Bild: Getty Images/AFP/E. Sa

Nach dem brasilianischen Abgeordnetenhaus hat auf der Senat als zweite Parlamentskammer den Weg frei gemacht für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Nach einer nächtelangen Debatte votierten in der Hauptstadt Brasilia 55 Senatoren für ein Verfahren gegen die linke Politikerin, 22 stimmten dagegen. Notwendig für den Schritt war eine einfache Mehrheit, es wurde aber sogar eine Zweidrittelmehrheit erreicht.

Mit der Entscheidung wird Rousseff zunächst für maximal 180 Tage suspendiert. In diesem Zeitraum muss sich der brasilianische Senat nun ausführlich mit den Vorwürfen gegen Rousseff befassen. Für eine endgültige Amtsenthebung ist dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Oberstes Gericht wehrt Rousseffs Aufbegehren ab

Rousseff wird vorgeworfen, Haushaltszahlen geschönt zu haben, um vor der Präsidentschaftswahl 2014 ihre Chancen zu verbessern. Sie bezeichnet den Vorwurf als Vorwand der Opposition, um sie vorzeitig aus dem Amt zu jagen. Ihr Versuch, das Amtsenthebungsverfahren in letzter Minute stoppen zu lassen, war am Mittwoch vom Obersten Gericht des Landes zurückgewiesen worden.

Die Präsidentschaft wird während der Suspendierung Rousseffs ihr bisheriger Stellvertreter Michel Temer übernehmen. Der 75-Jährige gehört der "Partei der demokratischen Bewegung" an, die die Koalition mit Rousseffs Arbeiterpartei im März aufgekündigt hatte.

Brasiliens Vize-Präsident Michel Temer (Foto: Reuters/U. Marcelino)
Nun ist er gefordert: Rousseffs bisheriger Vize Michel Temer rückt zumindest vorübergehend an die Spitze BrasiliensBild: Reuters/U. Marcelino

Temer würde auch die Olympischen Spiele am 5. August in Rio eröffnen. Der bisherige, erst vor wenigen Wochen ernannte Sportminister Ricardo Leyser soll zur Wahrung der Kontinuität nicht abgelöst werden, ebenso wie Zentralbankchef Alexandre Tombini. Der frühere Notenbank-Chef Henrique Meirelles ist als Finanzminister vorgesehen. Bisher gibt es 31 Ministerien, Temer will die Zahl verringern.

Real legt gegenüber dem Dollar zu

Rousseff, seit 2011 an der Macht, war zuletzt eine Präsidentin ohne Fortune, mitunter aufbrausend, mit weniger Volksnähe und Charisma als ihr Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva. In dessen Amtszeit wuchs die Wirtschaft kräftig, auch dank der sprudelnden Öleinnahmen. Rund 40 Millionen Menschen seien dank Sozialprogrammen und Mindestlöhnen aus der Armut befreit worden, betonte Rousseff. Nun ist das Land in einer tiefen Rezession, ein Korruptionsskandal aus Lulas Amtszeit hat Rousseff eingeholt, sie war damals Aufsichtratschefin des im Fokus stehenden Petrobras-Konzerns. Über elf Millionen sind arbeitslos. Seit Wochen ist das Land wegen des Ringens um ihre Amtsenthebung politisch handlungsunfähig.

Als sich die klare Zustimmung zu der Suspendierung Rousseffs abzeichnete, stieg der Kurs an der Börse in São Paulo und der Real gewann gegenüber dem Dollar, der Wechselkurs lag bei 1 zu 3,44 US-Dollar. Temer will mit Privatisierungen und Entlassungen im Staatsdienst das hohe Defizit in den Griff bekommen. Mit umfassenden Reformen will er die kriselnde Wirtschaft ankurbeln, das Bruttoinlandsprodukt der bisher siebtgrößten Volkswirtschaft war 2015 um 3,8 Prozent eingebrochen, für dieses Jahr sieht es nicht besser aus. Zuletzt waren die Staatsanleihen von den Ratingagenturen auf Ramschniveau gesenkt worden.

sti/wl/djo (dpa,afp, rtr)