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Portugals Liebling

Geraldo Hoffmann/Steffen Leidel4. Juli 2007

Die strategische Partnerschaft der EU mit Brasilien ist ein "prioritäres Ziel" der portugiesischen Ratspräsidentschaft. Das sorgt für Irritationen bei Brasiliens Nachbarn. Sie fühlen sich übergangen.

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Brasiliens Präsident Lula und der portugiesische Regierungschef Socrates
Brasiliens Präsident Lula und der portugiesische Regierungschef Socrates üben den SchulterschlussBild: AP

Der Gipfel zwischen der EU und Brasilien am Mittwoch (4.7.) in Lissabon hatte schon etwas von einer Preisverleihung. Zwar hängte sich der linksgerichtete Präsident des bevölkerungsreichsten Landes Lateinamerikas, Luiz Inácio Lula da Silva, keine Medaille um. Doch wenn die EU ein Land als "strategischen Partner" bezeichnet, dann ist das ein international nicht zu überhörendes Schulterklopfen.

Zuckerrohrernte in Brasilien.
Zuckerrohrernte in Brasilien. Daraus wird der Treibstoff Ethanol - Brasilien setzt darauf seine ZukunftBild: AP

Die amtierende portugiesische EU-Ratspräsidentschaft und Brasilien werden im feierlichen Rahmen in Lissabon ein entsprechendes Abkommen unterzeichen. "Mit der strategischen Partnerschaft würdigt die EU die gewachsene Rolle Brasiliens als regionaler und internationaler Akteur", sagt Wilhelm Hofmeister, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Brasilien.

"Diplomatischer Höflichkeitsakt"

Brasilien wird damit de facto auf die gleiche Stufe gestellt wie andere zentrale Akteure der Globalisierung wie Russland, China, Indien oder Südafrika, mit denen die EU bereits "strategische Partnerschaften" unterhält. Hofmeister warnt jedoch davor, nun gleich eine neue Qualität in den bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Brasilien zu erwarten.

Hartmut Sangmeister vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften in Heidelberg sieht in der Partnerschaft nicht mehr als einen "diplomatischen Höflichkeitsakt". "Es ist sicher keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Insgesamt muss man sehen, dass Lateinamerika weltwirtschaftlich an Bedeutung verliert", so der Experte. Brasilien könne beispielsweise nicht mit China verglichen werden.

Unsicherheitsfaktor Chávez

"In Lateinamerika selbst hat Brasilien freilich zweifellos politisch und ökonomisch das größte Gewicht ", sagt Sangmeister. Und es ist ein verlässlicher, berechenbarer Partner. Er sieht das Angebot einer "strategische Partnerschaft" vor dem Hintergrund der Aufnahme Venezuelas in den Mercosur. "Mercosur mit Hugo Chávez als potenzielles Mitglied ist ein unsicherer Verhandlungspartner", so Sangmeister.

Irans Präsident Ahmadinedschad begrüßt Hugo Chavez
Unberechenbar: Hugo Chávez. Hier bei Irans Präsident AhmadinedschadBild: AP

Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur treten seit Jahren auf der Stelle, außerdem befindet sich das Bündnis in einer schwierigen Phase. Der Beitritt Venezuelas ist von den vier Mitgliedstaaten zwar formal beschlossen. Die Parlamente in Uruguay und Brasilien haben ihn jedoch noch nicht ratifiziert. Die heftig kritisierte Schließung des Fernsehsenders RCTV in Caracas hatte zu schweren Misstönen zwischen Venezuela und Brasilien geführt. Chávez wetterte am Dienstag, Mercosur habe für ihn keine Priorität. Sollten Brasilien und Paraguay nicht bis September ratifiziert haben, wolle er auf einen Beitritt verzichten.

Brasilien kein Wortführer

"Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung für Brasilien als privilegierten Partner zwar nachzuvollziehen", sagt Sergio Costa, Experte von der europäischen Forschungsstelle für Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika Obreal. "Besonders klug ist sie dennoch nicht." EU-Vertreter wie der Außenbeauftragte Solana oder Lula selbst haben wiederholt beteuert, dass der verstärkte Dialog zwischen Brasilien und der EU auch eine Annäherung Europas und des Mercosur ermöglichen wird. Daran glaubt Costa nicht. "Brasilien wird von seinen Nachbarn nicht als Regionalmacht anerkannt und kann somit nicht repräsentativ für sie sprechen".

Laut Wolfgang Grabendorff von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Santiago de Chile hat die Nachricht der Privilegierung Brasiliens durch die EU "wie eine Bombe" eingeschlagen. "Vor allem die konkurrierenden Regionalmächte in Lateinamerika Mexiko und Argentinien sehen sich gegenüber Brasilien auf die zweite Bank verwiesen." Die beiden Länder waren schon gegen einen ständigen Sitz Brasiliens im Weltsicherheitsrat.

Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur abzuschreiben, so weit geht kein Experte. Allerdings sieht Sangmeister durchaus Anzeichen für einen ähnlichen Strategiewechsel wie ihn die USA gegenüber Lateinamerika vollzogen hat, nachdem die Verhandlungen für die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA faktisch gescheitert waren. "Es werden bilaterale Abkommen mit denjenigen Ländern der Region geschlossen, die sich noch nicht von der 'bolivarianischen Revolution' eines Hugo Chávez haben begeistern lassen", so Sangmeister.