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Brasiliens Atomprogramm

15. April 2010

In der Atomkraft liegt die Zukunft, findet die aufstrebende Wirtschaftsmacht Brasilien und arbeitet an einem eigenen Programm zur Urananreicherung. Dazu Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik:

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Die beiden brasilianischen Atomreaktoren Angra 1 (l.) und Angra 2Bild: picture-alliance/dpa

DW-WOLRD.DE: Herr Thränert, derzeit treffen sich in Brasilia die BRIC-Staaten. Aufstrebende Regionalmächte wie Russland, China, Indien und Brasilien. Neben ihrer Wirtschaftskraft zeichnet die Länder aus, dass sie über Atomwaffen verfügen oder an solchen arbeiten wie im Falle Brasiliens, dass die Entwicklung von Atom-U-Booten anstrebt. Wie weit fortgeschritten ist denn das Programm?

Oliver Thränert: Wir wissen zwar, dass das brasilianische Militär bis in die 80er Jahre hinein Programme unterhielt, bei denen an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet wurde. Jetzt geht es aber darum, dass Brasilien einen nuklearen Antrieb für U-Boote entwickelt hat und diese auch bauen möchte. Dabei geht es um den Antrieb, die Boote selbst sollen nicht mit Atomwaffen ausgestattet sein.

Welche Position strebt Brasilien denn im atomaren Bereich in der Reihe der BRIC-Länder an?

Ich denke, dass Brasilien sehr genau verfolgt dass das nukleare Nichtverbreitungsregime in einer sehr großen Krise befindet, es möchte sich daher für die Zukunft alle Optionen offen halten. Wichtig ist für Brasilien vor allem die Entwicklung eines nuklearen Brennstoffkreislaufes, deswegen hat man auch die eigene Urananreicherung vorangetrieben. Das ist im Rahmen der zivilen Entwicklung des Landes wichtig, um die eigenen Atomkraftwerke selbst mit Brennstoff versorgen zu können. Die Tatsache, dass aber das brasilianische Militär direkt in diese Programme involviert ist, deutet darauf hin, dass man sich auch im militärischen Bereich alle Optionen – ich sage das mit aller Vorsicht – offen halten will.

Angra 2 Atomkraftwerk Brasilien
Brasilien setzt auf KernenergieBild: AP

Brasilien hat den Inspektoren der Internationalen Atombehörde in letzter Zeit häufig den Zugang zu seiner Urananreicherungsanlage in Resende verweigert. Was muss man daraus schließen?

Das ist richtig. Brasilien kooperiert mit der internationalen Atomenergiebehörde gerade noch auf dem geringsten Niveau. Es weigert sich zum Beispiel das Zusatzprotokoll zu den Sicherungsabkommen, das mehr Zugangsmöglichkeiten für die Inspektoren und mehr Meldepflichten beinhaltet, zu unterschreiben. Es bringt als Argument, dass hier die Gefahr von Industriespionage bestehe. Ich vermute jetzt aber noch nicht, dass Brasilien geheime Programme oder Projekte im Rahmen der Urananreichung durchführt. Es zeigt aber auch, dass die Bereitschaft zur vollen Transparenz dort nicht vorhanden ist.

Im Streit um das iranische Atomprogramm hat sich Brasilien ja immer gegen neue Sanktionen ausgesprochen und für weitere Verhandlungen mit dem Iran. Ist das auch Teil der Strategie?

Das könnte man so sehen, dass Brasilien eben nicht alle Karten offen legen will und deswegen eben das nationale Interesse an ihrer eigenen Entwicklung derzeit als notwendiger erachten als das internationale Nichtverbreitungsregime weiter zu stärken.

Welche Rolle würde Brasilien denn in der Region als Atommacht spielen?

Brasiliens Präsident Lula da Silva und Nicolas Sarkozy
Frankreich: unterstützt Brasiliens U-Boot ProgrammBild: AP

Wenn jetzt Brasilien tatsächlich zur Atommacht würde, die möglicherweise auch über militärische Oppositionen verfügt, dann wäre das natürlich ein enormer Prestigegewinn für Brasilien. Das ist ja auch einer der wichtigsten Gründe warum man sich alle Optionen offen halten möchte. Man hat zum Beispiel auch genau verfolgt, dass zum Beispiel Indien in nuklearen Fragen jetzt wieder in den Club aufgenommen worden ist, obwohl es den Atomwaffensperrvertrag überhaupt nicht gezeichnet hat. Aber es wird jetzt bei der zivilen Nutzung der Kernenergie unterstützt und als Atommacht hofiert und in die Position möchte vielleicht der ein oder andere in Brasilien eines Tages auch kommen.

Könnte denn jetzt dieser BRIC-Gipfel in Brasilien die Ergebnisse des Nukleargipfels in Washington in irgendeiner Weise konterkarieren?

Das glaube ich wiederum nicht, denn Brasilien war ja auch Teil der Verhandlungen und hat das Kommuniqué und den Arbeitspan mit unterzeichnet und von daher glaube ich, dass der BRIC-Gipfel gegenüber dem Washingtoner Gipfel keine Rückschläge bringen wird.

Das Gespräch führte Mirjam Gehrke

Redaktin: Anne Herrberg