Brasilien: Was Journalisten schreiben dürfen | Veranstaltungen | DW | 14.10.2013
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Veranstaltungen

Brasilien: Was Journalisten schreiben dürfen

„Zu viele Medien in Brasilien gehören Familien, die der Politik zu nahe stehen.“ Das sagte der brasilianische Journalist Ricardo Domeneck bei einer DW-Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse.

Die Medien Brasiliens scheuen die kritische gesellschaftliche Debatte, weil sie als Unternehmen selbst um Privilegien fürchteten, so Ricardo Domeneck bei der Diskussion zum Thema „Medien und soziale Proteste in Brasilien“. Hintergrund: Die seit Mai stattfindenden Demonstrationen gegen Korruption und sozialen Abbau und die Berichterstattung der traditionellen Medien darüber. Ricardo Domeneck, der zudem Lyriker und Blogger ist, diskutierte am 10. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse mit zwei brasilianischen Journalisten: Rodrigo Abdelmalack, der bei der DW die Brasilianisch-Redaktion leitet, und Albert Steinberger, Freier Journalist für brasilianische und andere internationale Medien.

Einen Mangel an Vielfalt in der Medienlandschaft stellte Rodrigo Abdelmalack fest: „Die größten TV-Sender und Zeitungen gehören Familien, die seit der Gründung dieser Medien die politische Linie ihrer Häuser von oben nach unten durchdeklinieren.“ Dies schade der Glaubwürdigkeit, so Abdelmalack. Die anfangs einseitig gegen die Proteste gerichtete Berichterstattung der klassischen Medien hätte diesen einen „großen Vertrauensverlust“ eingebracht.

Am 10. Oktober diskutierten beim DW-Panel Experten auf der Buchmesse über die Lage der Medien in Braslien, mit dabei Albert Steinberger, freier Journalist, Berlin

Albert Steinberger, brasilianischer Journalist

Oberflächlichkeit im Aktuellen
Das Debakel bei der Berichterstattung über die Unruhen habe auch Lerneffekte bewirkt, sagte Steinberger. Allerdings erst, nachdem „das schlimmste passiert war, was einem Medium passieren kann: nachdem man den Kontakt zu den Menschen, dem Publikum, verloren hatte“, so Steinberger, der für die Mediengruppe Globo gearbeitet hat. So seien die Globo-Medien von ihrer redaktionellen Linie erst abgerückt, als jeder im Internet sehen konnte, dass nicht nur „Vandalen“ auf den Straßen waren. Der Schwenk sei „peinlich für Globo“ gewesen, so Steinberger. Jetzt gehe es darum, den Hintergrund der Proteste zu erklären, „Warum streiken die Lehrer in Rio? Das können nur die großen Medien beleuchten“, so Steinberger weiter. Sie hätten die Struktur dazu. Sonst blieben die Berichte in der Oberflächlichkeit des Aktuellen stecken.

Am 10. Oktober diskutierten beim DW-Panel Experten auf der Buchmesse über die Lage der Medien in Braslien., mit dabei Ricardo Domeneck, Lyriker und Blogger, Berlin

Ricardo Domeneck, Lyriker und Blogger aus Berlin

Vorurteile in den Medien
Eine Ursache für die einseitige Berichterstattung über die jüngsten sozialen Proteste sieht Steinberger auch bei der landesweit konservativen Prägung der Medienunternehmen. „Sie begegnen Protesten traditionell mit Vorurteilen.“ Diese Haltung in den Medien gehe weit in die 1980er-Jahre zurück. „Das reicht sogar in die Zeit der Diktatur“, ergänzte Domeneck. Die brasilianische Gesellschaft brauche dringend eine Debatte über die Diktatur und deren Auswirkung bis in die Gegenwart, forderte er. Ähnlich wie in Argentinien und Chile. Das betreffe allerdings auch die Medien selbst und ihre Strukturen.

Am 10. Oktober diskutierten beim DW-Panel Experten auf der Buchmesse über die Lage der Medien in Braslien, mit dabei Rodrigo Abdelmalack, Deutsche Welle, Leiter Brasilianisch-Redaktion, Bonn

Rodrigo Abdelmalack, Leiter Brasilianisch-Redaktion der DW

Willkür des Justizsystems
Zur Lage der Pressefreiheit und der Gefahren für Blogger sagte Ricardo Domeneck: „Wenn man etwa über mächtige Menschen oder üble Praktiken der Elitepolizei berichtet, dann kann es gefährlich werden.“ Steinberger hob hervor, die Sicherheitslage für Journalisten in den großen urbanen Zentren Brasiliens sei je nach Arbeitgeber anders als die im Landesinneren. Globo habe eine eigene Sicherheitsfirma zur Prüfung der Lage beauftragt. Danach würde entschieden, ob und mit welchen Vorkehrungen ein Mitarbeiter in bestimmte Favelas gehen könne. Abdelmalack sagte, er würde es begrüßen, wenn ein Pressegesetz zustande käme, das Journalisten bei ihrer Arbeit schütze, und nicht der Willkür des Justizsystems in Brasilien ausliefere, „wo Richter entscheiden, ob ein Journalist zu weit gegangen ist in der Beurteilung von Politikern“.

Kooperationspartner der Veranstaltung: LitCam

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