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Brasilien: Rio säubert Sambodrom

Jan D. Walter26. Januar 2016

In Lateinamerika grassiert das Zika-Virus. Er kann Föten tödliche Missbildungen zufügen. In Rio fürchten Gesundheitsbehörden eine Ausbreitung des Virus während des Karnevals und greifen zu teils drastischen Maßnahmen.

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Anti-Moskito-Einsatz im Sambodrom Rio de Janeiro (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/Ch. Simon

Mit 30 Mitarbeitern ist die Gesundheitsbehörde von Rio de Janeiro angerückt, um die 900 Meter lange Piste des Sambodroms samt Tribünen mit Insektengift einzusprühen. In wenigen Tagen beginnt in Rio der Karneval. Dann werden hier jeden Abend 70.000 Menschen die Umzüge der Samba-Schulen bejubeln. Im August sollen hier bei den Olympischen Spielen die Wettkämpfe im Bogenschießen ausgetragen werden.

Doch die Vorfreude ist getrübt, denn die Anzahl der Tropenfieber-Infektionen hat in Brasilien stark zugenommen. "Die Sorge in ganz Rio de Janeiro ist groß", sagt Marcos Vinicius Ferreira, Sprecher der städtischen Gesundheitsbehörde. "Während des Karnevals steigt gerade hier die Zahl der Touristen, und das könnte die Ausbreitung des Virus stark begünstigen."

Bis heute haben 22 amerikanische Länder Zika-Infektionen gemeldet. Anfang der Woche wurde das Virus erstmals in den USA diagnostiziert. Besonders gefährdet für eine Epidemie sind feucht-warme Gebiete. Denn das Virus wird - wie viele Auslöser von Tropenfiebern - von einer Mücke übertragen. Die "Aedes Aegypti" überträgt es, genau wie das Chikungunya- und das Dengue-Virus.

Schwer kontrollierbar

Verglichen mit dem "Knochenbrecher-Fieber" Dengue ist der Krankheitsverlauf einer Zika-Infektion meist harmlos. Die Symptome Fieber, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Hautausschläge sind zwar die gleichen, in der Regel jedoch wesentlich schwächer. Schwere Krankheitsfälle können zwar - wie bei den meisten Fiebererkrankungen - tödlich enden, sind jedoch extrem selten. 80 Prozent der Infizierten zeigen sogar überhaupt keine Symptome.

Vater mit Kind (Foto: picture-alliance)
Das Virus könnte für Behinderungen bei Neugeborenen verantwortlich seinBild: picture-alliance/AP Photo/F. Dana

Gerade dieser Umstand macht das Virus so schwer kontrollierbar. Infizierte werden zu stillen Trägern und können das Zika-Virus - ohne es zu wissen - auf andere Menschen übertragen, etwa über Bluttransfusionen oder beim Geschlechtsverkehr.

Gefahr für ungeborenes Leben

Das alles wäre wohl kaum ein Grund für Brasiliens Gesundheitsminister Marcelo Castro, das Militär ausrücken zu lassen. Allerdings ruft das Virus offenbar Mikrozephalie bei Föten hervor, wenn es schwangere Frauen befällt. Die Folgen reichen von leichter geistiger Beeinträchtigung über schwere Behinderungen bis hin zum Tod des Kindes.

"Bisher ist nicht erwiesen, dass das Zika-Virus tatsächlich Mikrozephalie auslöst", erklärt die Humanbiologin Lavinia Schüler-Faccini von der Universität Porto Alegre. "Aber die aufgezeichneten Korrelationen zwischen dem Auftreten des Virus und der Missbildung lassen kaum einen anderen Schluss zu."

Entdeckt wurde das Virus 1947 im Zika-Wald im afrikanischen Uganda. Im April 2015 wurde es erstmals in Brasilien festgestellt. Seither ist die Zahl der Infektionen rasant gestiegen. Dieses Jahr rechnet das brasilianische Gesundheitsministerium mit bis zu 600.000 Infektionen.

Soldat inspiziert einen Swimmingpool (Foto: Reuters)
Soldaten sollen in Brasilien dabei helfen, mögliche Brutstätten auszumachenBild: Reuters/R. Paiva

Parallel zur Ausbreitung des Virus haben sich die Fälle von Mikrozephalie in Brasilien vermehrt. Seit Oktober 2015 sind 3800 Fälle registriert worden - 40-mal mehr als sonst in vergleichbaren Zeiträumen.

Die US-Regierung warnt Schwangere deshalb vor Reisen in bisher 14 lateinamerikanische Länder. Die dortigen Behörden raten Frauen teilweise, gewünschte Schwangerschaften hinauszuzögern. Kolumbiens Gesundheitsministerium etwa empfiehlt, bis Juli zu warten - dann herrsche voraussichtlich mehr Klarheit. In El Salvador rät man, bis 2018 zu warten.

Infektionen nehmen zu

Brasilien ist bisher das einzige Land, das sein Militär einsetzen will, um das Virus, genauer gesagt, die Aedes-Mücke zu bekämpfen. 200.000 Soldaten sollen ausrücken, um die Bevölkerung zu informieren und Moskitoschutzmittel zu verteilen.

Die Wissenschaftlerin Schüler-Faccini findet das durchaus angemessen: "Natürlich ist das Militär nicht dafür ausgebildet, Mücken zu bekämpfen, aber die Lage erfordert schnelles Handel." Denn die Aedes-Mücke vermehrt sich offenbar sehr schnell. Darauf lässt der rasante Anstieg von Dengue-Infektionen im Jahr 2015 schließen - im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich deren Anzahl um 178 Prozent auf mehr als 1,6 Millionen.

Mann vernebelt Zimmer mit Insektiziden (Foto: picture-alliance)
El Salvador: Mit Insektiziden gegen den unsichtbaren FeindBild: picture-alliance/dpa/O. Rivera

Expertin Schüler-Faccini berät das brasilianische Gesundheitsministerium bei der Bekämpfung von Schwangerschaftsrisiken. Ihrer Meinung nach machen die brasilianischen Behörden vieles richtig. Zum Beispiel berichten sie in einem wöchentlichen Newsletter über epidemiologische Gefahren. Schwangere in Sozialhilfeprogrammen sollen Mückenabwehrspray erhalten.

Rio kein Brennpunkt

Am stärksten vom Zika-Virus ist der Bundesstaat Pernambuco im Norden Brasiliens betroffen. Im Rathaus von Rio de Janeiro hebt man dagegen hervor, dass es dank regelmäßiger Präventionsmaßnahmen in der Stadt keine Epidemie eines Tropenvirus gebe.

Marcos Vinicius Ferreira von der Gesundheitsbehörde in Rio de Janeiro sagt deshalb: "Wir brauchen die Soldaten nicht. Wir können das selber leisten." Mehr als 3000 städtische Mitarbeiter und 7000 weitere Helfer aus den Armenvierteln seien bereits im Einsatz.

Die Mithilfe der Bürger ist unerlässlich beim Kampf gegen die Mücke. Denn in den Städten befinden sich rund 80 Prozent ihrer Nistplätze im direkten Umfeld der Wohnung. Denn überall, wo eine kleine Menge Wasser steht, kann die Aedes ihre Eier ablegen.