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"Kaum präsent in Europa"

Ralf Bosen7. November 2012

Obama steht vor großen außenpolitischen Herausforderungen. Die EU-Parlamentarierin Franziska Brantner vermisst im DW-Interview eine konkrete EU-Politik der USA.

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Eine Porträtaufnahme der EU-Abgeordneten Franziska Brantner (Foto: Europäisches Parlament)
EU-Abgeordnete Franziska BrantnerBild: Europäisches Parlament

Deutsche Welle: Frau Brantner, auch die meisten Europäer hätten nach verschiedenen Umfragen Barack Obama gewählt. Ist Obama aus europäischer Sicht der richtige Präsident?

Franziska Brantner: Man kann als Europäer nicht sagen, was richtig ist für die Amerikaner, aber man kann schon sagen, dass die Konsequenzen einer Wahl Mitt Romneys für unsere Region wahrscheinlich eher fatal gewesen wären. Sei es bei dem Thema Iran oder Israel/Palästina. Ich glaube, in dieser Beziehung wäre die Politik Romneys nicht unbedingt in unserem Interesse gewesen. Aber was für die Amerikaner innerhalb der USA richtig ist, das ist deren ganz alleinige Entscheidung.

Wie ist ihre Bilanz der bisherigen Europapolitik Obamas. Was waren aus Ihrer Sicht die positiven und negativen Höhepunkte?

Die Frage ist, ob es überhaupt eine Europapolitik Obamas gab. Ich würde eher sagen, Europa ist relativ wenig vorgekommen in den letzten vier Jahren. Was man vielleicht als Höhepunkt benennen kann, war die gemeinsame Reise von US-Außenministerin Hillary Clinton und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton auf den Balkan, um eben zu zeigen, dass man gemeinsame Interessen hat. Ansonsten muss man ganz ehrlich sagen, Obama war in Europa relativ unpräsent.

Auch während der Fernsehduelle zwischen Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney ist nicht über Europa gesprochen worden. Wie bedeutend ist Europa noch für die USA, die ja zunehmend in Richtung Asien schauen?

Die Bedeutung von Europa als politischer Krisenherd hat zum Glück abgenommen und Europa wird als eigentlich relativ steter Partner angesehen. Allerdings verbinden viele Amerikaner Europa mit einem Krisenherd im Sinne von finanziellem Risiko. Im Zusammenhang mit der Eurokrise wird Europa vielleicht noch mal wichtiger, aber ansonsten liegt der Fokus von Obama auf Asien.

Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso neben Obama bei einer Pressekonferenz (Foto: AP)
EU besucht Weißes Haus: Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso neben Obama Ende 2011Bild: dapd

Sie haben gerade die Finanzkrise angesprochen. Aus den USA kamen wiederholt kritische Äußerungen zum  Management der Eurokrise. Glauben Sie, dass sich Obama bei diesem Thema während seiner neuen Amtszeit verstärkt einschalten wird? Vielleicht auch zunehmend kritisch?

Ich glaube, dass generell die Geduld der internationalen Gemeinschaft mit dem Krisenmanagement der Europäer zu Ende geht. Soweit wir wissen, hat es nicht nur Obama, sondern auch ein Großteil seiner Regierung mittlerweile satt, dass die Europäer es nicht schaffen, dieses kleine Land Griechenland zu retten. Für die Amerikaner ist es ja noch kleiner als für uns, bei uns sind es ja auch nur zwei Prozent der europäischen Wirtschaftskraft. Irgendwie kann man das in den USA kaum nachvollziehen, dass man dieses Problem jetzt seit über zweieinhalb Jahren nicht in den Griff bekommt. Und ich kann mir schon vorstellen, dass der Druck noch etwas größer wird, vor allen Dingen aufzupassen, dass die Krise nicht komplett auf Spanien, Italien und die großen Länder übergreift. Da wird sich die amerikanische Seite bestimmt noch mal zu Wort melden.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy haben in ihrem Glückwunschschreiben an Obama ihren Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit geäußert. Wirtschafts- und sicherheitspolitisch wollen sie künftig noch stärker mit den USA kooperieren, gleiches gilt für die Außenpolitik. Wie könnte das Ihrer Meinung nach konkret aussehen?

Obama ist jetzt zum Beispiel sehr gefordert, zusammen mit den anderen Mitgliedern des Nahost-Quartetts aus Vereinten Nationen, Europäischer Union und Russland zwischen Israel und Palästina zu vermitteln. Wenn man nach den Wahlen in Israel, die sind ja im Januar, schnell eine gemeinsame Initiative starten könnte, fände ich das sehr wichtig. Das Gleiche gilt für Syrien, wo Obama jetzt wahrscheinlich zusammen mit den Europäern mehr Zeit  investieren kann. Das wären in der Außenpolitik ganz wichtige Themen: Israel/Palästina, Syrien auch die Iranfrage sowie der Balkan. Ich glaube, da gibt es wirklich vieles, was man jetzt gemeinsam angehen kann und wo Obama jetzt vielleicht mehr Freiraum hat. Wobei man ja sagen muss, dass er zwar im Wahlmännergremium eine große Mehrheit erreicht hat, aber bei den Wählerstimmen über alle Bundesstaaten war es sehr eng. Von daher mal schauen, wie das wird. Auch der US-Kongress ist ja gespalten. Ich hoffe trotzdem, dass er vielleicht etwas mutiger ist als in den letzten vier Jahren.

Franziska Brantner (geboren am 24. August 1979 in Lörrach) ist seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments und gehört dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten an. Seit vielen Jahren befasst sie sich mit Themen wie der europäischen Außenpolitik, der EU-Menschenrechtspolitik oder der Reformfähigkeit der Vereinten Nationen. Brantner ist Mitglied der Friedens- und Sicherheitspolitischen Kommission der Grünen und Mitautorin des Programms zur Europawahl 2009.