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Brückenblockade lähmte Budapest

9. Juli 2002

– Die zwei großen Parteien schieben sich gegenseitig Verantwortung für Tumulte zu

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Budapest, 8.7.2002, BUDAPESTER ZEITUNG

Zum ersten Mal seit der Wende kam es am Donnerstag (4.7.) im Verlauf mehrerer illegaler Demonstrationen zu gewaltsamen politisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gegnern der amtierenden Regierung. Die beiden großen Parteien MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD) und Fidesz (Bund Junger Demokraten - MD) schieben sich gegenseitig die Verantwortung für die teils blutigen Zusammenstöße zu.

Begonnen hatte die geplante Aktion am Donnerstag während des morgendlichen Berufsverkehr. Eine Gruppe von etwa 100 Regierungsgegnern legte unterstützt von mehreren quergestellten Personenwagen den Verkehr auf der Elisabeth-Brücke lahm. Auf Transparenten und in Sprechchören forderten sie die Neuauszählung der Stimmen der letzten Parlamentswahl. Als die Polizei begann die Brücke zu räumen, kam es zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf einige Personen leicht verletzt wurden. Insgesamt wurden 23 Personen vorübergehend festgenommen. Erst in den Mittagsstunden war die Brücke wieder in beide Richtungen befahrbar. Die Sperrung der Brücke hatte zu gewaltigen Staus geführt.

Wenig später kam es auf dem Kossuth tér (Kossuth-Platz – MD) am Parlament zu einer weiteren, ebenfalls nicht genehmigten Kundgebung. In teils sehr vulgären Sprechchören forderten die Demonstranten inzwischen auch den Rücktritt von Ministerpräsident Péter Medgyessy und seiner Regierung. Die Polizei verhielt sich außerordentlich zurückhaltend. So konnte es geschehen, dass sich die inzwischen auf etwa 200 Personen verstärkten Ordnungskräfte bald 2000 Personen gegenübersahen, statt am Anfang rund hundert. Ein erster halbherziger Versuch, den Platz zu räumen, scheiterte gegen 16 Uhr am Widerstand der Demonstranten.

Erst bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Polizei wieder aktiv und begann den Kossuth tér entschlossen zu räumen. Ein Teil der abgedrängten Demonstranten sammelte sich daraufhin am Westbahnhof. Als die Gruppe über den Blaha Lujza tér (Blaha-Lujza-Platz – MD) auf der Rákóczi út (Rakoczistraße – MD) in Richtung Elisabeth-Brücke vorstoßen wollten, kam es nach Mitternacht auf der Höhe des Kinos Uránia zu erneuten Zusammenstößen. Die Polizei setzte diesmal Tränengas ein und löste die Menge wieder auf. Erst danach beruhigte sich für den Rest der Nacht die Lage. Am darauffolgenden Freitag kam es zu mehreren kleineren Versammlungen, unter anderem am Denkmal für den ersten ungarischen Ministerpräsidenten, Lajos Batthyány.

Noch während der Vorgänge äußerten sich zahlreiche Politiker. Die Vertreter der Koalitionsparteien warfen dem Fidesz vor, durch seine ständigen Zweifel an der Korrektheit des Wahlergebnisses den Nährboden für die Aktionen bereitet zu haben. Der Fidesz wiederum schiebt die Verantwortung der MSZP und dem SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) zu, da seiner Meinung nach beide Parteien beharrlich verhindern würden, dass letzte Zweifel am Wahlergebnis aus dem Weg geräumt werden.

Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die im April knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterte rechtsextreme MIÉP direkt hinter den Geschehnissen steht. So waren immer wieder MIÉP-Symbole bei den überwiegend älteren Teilnehmern zu sehen. Die einzelnen Aktionen wurden den ganzen Tag live über das der MIÉP nahestehende "Pannon Rádió" angekündigt und mit Berichten begleitet. (fp)