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Bote, Botschaft und Bedeutung

Stephan Hille20. Juli 2004

Der Vorsitzende der Russland-AG, Wladimir Putin, zeigt sich unzufrieden: Das "Produkt" - Russland - genießt international zurzeit nicht den besten Ruf. Da ist eine brachiale Qualitätsoffensive gefragt.

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"Die Vorstellungen über Russland im Ausland sind manchmal weit von der Realität entfernt", mahnte Kreml-Chef Wladimir Putin kürzlich vor rund 130 russischen Botschaftern. Die Diplomaten sollten - so die Aufforderung des Präsidenten - für ein besseres Russland-Bild im Ausland sorgen.

Ein bisschen Tünche

Tatsächlich bestimmten in der letzten Zeit die Affäre und der Prozess um den Öl-Giganten Yukos die Nachrichten aus Russland. Die OECD spricht von einem "hoch selektiven Verfahren" und die Weltbank warnt vor einer Verschlechterung des Investitionsklimas. Nur knapp schlidderte das Land in den letzten Tagen an einer handfesten Bankenkrise vorbei. Die letzten bunten Farbtupfer in der immer grauer werdenden staatlich gelenkten russischen Fernsehlandschaft werden überpinselt: Bei der letzten Programmreform des halbsstaatlichen Fernsehsenders NTV kam ein neuer Generaldirektor, aus dem Programm genommen wurden ein Polit-Magazin mitsamt Moderator, eine politische Talkshow sowie eine Zeichentrick-Satire, die offenbar nicht den Humor im Kreml traf.

Die Macht der Geheimdienstler

Derzeit erhalten Moskau-Korrespondenten keine Akkreditierung, um nach Tschetschenien zu reisen. Westliche Berichterstatter sind dort unerwünscht, Ende August wird in der unruhigen Kaukasus-Republik ein neuer Präsident gewählt, nachdem im Mai der moskautreue Republikchef von einer Bombe zerissen wurde. An einer Durchführung von freien und demokratischen Wahlen darf gezweifelt werden. Gleichzeitig wurden per Erlass des Präsidenten die Vollmachten des Inlandsgeheimdienstes FSB erheblich ausgeweitet. Der Geheimdienst-Chef wurde in der vergangenen Woche in den Rang eines Ministers erhoben und Moskauer Zeitungen schreiben bereits über die "Wiedergeburt des KGB". Schlagzeilen machte der Geheimdienst in Putins Amtszeit vor allem dadurch, dass er Strafverfahren gegen Wissenschaftler wegen vermeintlichen Verrat von Staatsgeheimnissen anstrengte.

Mord ist ein Kavaliersdelikt

Die Zeit der Auftragsmorde wähnte man als Geschichte - bis vor wenigen Tage der russischstämmige Journalist und Chefredakteur der russischen Ausgabe von "Forbes", Paul Chlebnikow, beim Verlassen des Redaktionsgebäudes auf offener Straße erschossen wurde. Die Hintergründe und Motive sind bis heute unklar und werden vermutlich nie aufgeklärt. Beunruhigende Meldungen, die sich natürlich in der internationalen Presse niederschlagen. Russlands Botschafter im Ausland sollen nun für ein besseres Image sorgen und Werbung für das Produkt "Russland" machen. Presseberichten zufolge führt der Kreml eine Liste von "unfreundlich berichtender westlicher Journalisten". Auf die Idee, dass es möglicherweise dringender wäre, das Produkt zu verbessern, als gegen die Berichterstattung zu kämpfen, scheint im Kreml hingegen noch niemand gekommen zu sein.