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Bosnischer Außenminister: "Weg in die EU ist das Wichtigste"

27. April 2006

Im Interview mit DW-RADIO spricht Mladen Ivanic über die gescheiterte Verfassungsreform in seinem Land, die EU-Annäherung sowie die Auswirkungen einer möglichen Unabhängigkeit des Kosovo auf die Region.

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Ivanic fürchtet schlechtes Image für sein LandBild: AP

DW-RADIO/Bosnisch: Was bedeutet es für Bosnien-Herzegowina, dass die Verfassungsreform nicht verabschiedet wurde?

Außenminister Mladen Ivanic: Ein schlechtes Image nach außen und es rechtfertigt die ohnehin negative Einstellung zu Bosnien-Herzegowina in einem Teil der internationalen Gemeinschaft. Damit bekommen sie ein weiteres Argument für ihre starre Haltung gegenüber Bosnien-Herzegowina. Doch wenn die Verfassungsänderungen gebilligt worden wären, wäre dies positiv aufgenommen worden, insbesondere in Brüssel und im Hinblick auf den Weg in die EU, den Bosnien-Herzegowina eingeschlagen hat. Dies ist im Augenblick am wichtigsten. Dass sie abgelehnt worden sind, wird äußerst negative Folgen haben.

Bosnien-Herzegowina musste scharfe Kritik wegen mangelnder Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal ICTY einstecken. Offensichtlich erfüllt die Republika Srpska nicht ihre Verpflichtungen. U.z. nicht nur im Hinblick auf die Auslieferung der wichtigsten Angeklagten Ratko Mladic und Radovan Karadzic, sondern auch die ihrer Helfer und Finanziers, was ausdrücklich ICTY-Chefanklägerin Carla del Ponte Banja Luka vorwirft. Kann dies die Verhandlungen mit der EU über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen verzögern?

Nun, ich meine, wenn es keine Zusammenarbeit mit dem ICTY gibt, wird dies ernsthafte negative Konsequenzen für Bosnien-Herzegowina haben. Meines Erachtens ist dies die letzte große politische Frage, die einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen und die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens Ende dieses Jahres verhindern kann. Nachweislich gab es 2005 positive Ergebnisse und daraufhin folgte auch eine Annerkennung des ICTY. Allerdings ist seit geraumer Zeit kein ICTY-Angeklagter mehr ausgeliefert worden, die Zusammenarbeit mit dem Tribunal ist ins Stocken geraten. Demzufolge müssen wir in den kommenden Wochen und Monaten die Zusammenarbeit verbessern, um negative Implikationen zu verhindern. Daher ist es die Pflicht aller Institutionen in Bosnien-Herzegowina und natürlich insbesondere der Institutionen in der Republika Srpska den Grad der Zusammenarbeit bedeutend zu verbessern, damit die Verhandlungen mit der EU zu erfolgreich abgeschlossen werden.

Die Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo sind im Gange, das Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros findet in absehbarer Zeit statt. Kann sich eine Unabhängigkeit des Kosovo auf Bosnien-Herzegowina und seine innere Stabilität auswirken?

Wahrscheinlich wäre es wünschenswert, wenn ich Nein sage. Doch in Wahrheit hängt es davon ab, wie die Kosovo-Frage gelöst wird. Wenn die Kosovo-Frage in Übereinkunft zwischen Belgrad und Pristina gelöst wird, wird es sicherlich keinerlei Folgen für die Region haben – wie immer diese Lösung aussehen mag – solange sie von beiden Seiten einvernehmlich beschlossen wird. Wenn allerdings eine Lösung aufoktroyiert wird gegen den Willen einer der Seiten, kann dies zu weitreichenden regionale Auswirkungen führen. Ich glaube nicht, dass dies Bosnien-Herzegowina direkt betrifft. Aber ich glaube schon, dass es für Bosnien-Herzegowina weitaus gefährlicher ist, wenn der Druck auf die Republika Srpska übertrieben und ihre Existenz in Frage gestellt wird. Dies ist ein sehr viel größeres Problem als der Kosovo-Status.

Das Interview führte Sabrina Hodzic
DW-RADIO/Bosnisch, 27.4.2006, Fokus Ost-Südost