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Sam Auinger, Klangkünstler Bonn

1. September 2010

Es gibt Städte, die investieren in "Stadtschreiber" – Bonn ist die erste Stadt bundesweit, die derzeit einen Klangkünstler beherbergt: Den Österreicher Sam Auinger. Ein Ausflug in urbane Klangräume.

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Sam Auinger (Bonner Klangkünstler). Quelle: Beethovenstiftung Bonn
Sam AuingerBild: Beethovenstiftung Bonn

Sam Auinger erkundet Bonn am liebsten per Fahrrad und so ist es geradezu zwangsläufig, dass das Interview im Rahmen einer kleinen Radtour stattfinden soll. Vom Funkhaus der Deutschen Welle geht es rheinaufwärts nach Süden – und schon nach wenigen Minuten demonstriert der Komponist und Klangkünstler, wie er akustische Räume erforscht: Wir sind an der Südbrücke. Auinger steigt vom Rad, postiert sich unter die mächtigen Betonbögen, klatscht in die Hände und ruft vernehmlich "Huhuuu!" Ein langes gebrochenes Echo wird hörbar, ein Klang, der sich vervielfacht hat – ein "Shatter-Echo", sagt Auinger. Als kurz darauf eine Straßenbahn über unsern Köpfen rattert, wird der Klang zum gewaltigen Dröhnen.

Stadtklang, weltweit

Der Klangkünstler und Komponist ist weltweit mit Projekten zur Erforschung städtischer Klangräume beschäftigt. Er hat Los Angeles und New York akustisch untersucht, Rom und Rotterdam, aber auch Dresden und Düsseldorf. In allen Städten ist am Ende ein Kunstwerk entstanden, das sich mit urbanen Klängen im Raum beschäftigt. Manchmal ist das eine sehr technisch aussehende mobile Installation aus Resonanzrohr, Filtern und Computer, die Geräusche aus der Umgebung aufzeichnet und transformiert. Auch in Bonn - wo er seit einigen Monaten Stadt- und Baugeschichte, Architektur und Topographie erkundet - ist ein Kunstwerk geplant. Was genau, will Auinger noch nicht verraten. Es könnte eine Karte mit interessanten "Hör-Orten" sein, ein Buch über Bonner Klänge oder etwas ganz anderes.

Die Südbrücke - für Sam Auinger ein Klang-Ort in Bonn. Foto:Bruce Odland. Eingestellt August 2010
Klangerlebnis unter der BrückeBild: Bruce Odland

Akustische Lebensräume

Hören ist für ihn so etwas wie Nachdenken über die Umwelt. Die Erforschung städtischer Klangräume - ein Abenteuer für den Künstler, der das eigene Gehör seit seiner Jugend systematisch geschult hat. Auinger ist in der österreichischen Provinz aufgewachsen – "Ich war ein lärmendes Kind", sagt er – spielte als Jugendlicher in Bands, studierte Musik am Salzburger Konservatorium und ließ irgendwann den traditionellen Musikbetrieb hinter sich. Seither ist er unterwegs: Um Klänge zu entdecken, zu transformieren, zu komponieren – und um Menschen wieder Spaß am Hören zu vermitteln. Er sagt: "So wie ein Tischler einfach das Holz verstehen muss, so sollte ein Komponist auch den Klang verstehen. Was mich unglaublich interessiert ist, wie unsere Lebensräume akustisch wirken."

Sinne schärfen

Viele haben die Verbindungen in den akustischen Raum, der sie umgibt, verloren, sich mithilfe von I-pods und Kopfhörern eigene Räume geschaffen, sagt er und plädiert dafür, den Klangraum wieder bewusster wahrzunehmen. Raus aus dem Gewohnten – wir müssen unser "Bequemlichkeits-Gen" überlisten, formuliert Sanm Auinger. Denn: "Der wirklich kritische Punkt ist, dass Sinne entweder durch die Lebensumstände oder durch die eigene Kulturleistung geschult werden oder verkümmern. Wenn ich das ganze Jahr immer nur Fritten mit Bouletten esse, dann darf ich mich nicht wundern, dass ich an anderen Geschmäckern keine Freude habe – weil ich einfach keine Sinnesorgane dafür ausgebildet habe."

Für Sam Auinger ein Klang-Ort in Bonn - die Skulptur am Rheinufer. Foto: Bruce Odland, August
Klingt auch: Skulptur am RheinuferBild: Bruce Odland

Rausch-Schleier

Im Rheinauen-Park ist Auinger besonders gern. Hier ist die ganze Vielfalt eines städtischen Klangraums erfahrbar: das Schnarren eines Rasenmähers, das scharfe Geräusch einer Schleifmaschine irgendwo im Hintergrund, Gesprächsfetzen von Spaziergängern, stampfende Motoren von Frachtkähnen auf dem Wasser und, drüben auf der anderen Seite, Güterzüge. 200 fahren hier täglich, erzählt Auinger: alle sieben Minuten ein "Rausch-Schleier" über dem Rhein, hat er ausgerechnet. Mit Daten und Fakten zu Bonn hat er sich ausgiebig beschäftigt. Er kennt die Bausünden und die hässlichen Landmarken der Architektur - aber er weiß auch die Qualitäten der Stadt zu schätzen und sagt: "Was immer es an klanglichen Belastungen gibt, es geht auch wieder vorbei. Man ist hier nie in der totalen Klangkompression."

Poesie des Klangs

Manchmal, wenn er über Schall und Frequenzen spricht, wirkt der Künstler eher wie ein Physiker, wenn er Räume misst und durchmisst wie ein Architekt, wenn er von Wetter und Klima redet wie ein Meteorologe. Im Mittelpunkt aber steht der Klang, und Sam Auinger möchte, dass Menschen wieder aufmerksame Hörer werden. Was in der allgemeinen Lärmentwicklung nicht einfach ist. Ob knatternde Wassermopeds auf dem Rhein oder lautes Gequassel an Mobiltelefonen in der Bahn - immer mehr Geräuschquellen werden als Belästigung empfunden: "Wir werden einfach immer mehr Menschen, wir werden in immer größeren Ballungsräumen leben – und uns über kurz oder lang die Frage stellen müssen, ob es nicht notwendig wäre, so etwas wie eine akustische Höflichkeit zu entwickeln." Ganz extreme Klänge bezeichnet Auinger dann gern als "körpergefährlich". Aber es gibt natürlich auch die anderen, die wunderbaren Klangerlebnisse. "Es gibt für mich fast keinen schöneren Klang, als ein leichter Regen in einem Nadelwald. Das ist reinste Poesie."

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Gudrun Stegen