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Verrückte Reiter

3. Juli 2009
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Sankt Johannis, Reiterfest auf Menorca (Foto: DW)
Das Sankt Johannis, Reiterfest auf MenorcaBild: DW

Seit dem Mittelalter wird auf der spanischen Insel Menorca das Fest des Sant Joan - das Fest des Heiligen Johannis - gefeiert.

Die Sankt Johannis Reiterfeste auf Menorca Flash-Galerie
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Es beginnt am 23. Juni, dauert zwei Nächte und drei Tage und anschließend sind eigentlich ein paar Tage Erholung im Kloster angesagt. Denn es ist kein stilles Fest, und schon gar nicht eines der Askese oder auch nur Zurückhaltung. Dieses Fest gehört den Pferden -und den Verrückten.

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In der Stadt Cituadella ("Städtchen") beginnt die Saison der Reiterfeste. Der Ort mit seinen 26.000 Einwohnern ist spanisch geprägt und stammt aus dem Mittelalter - viele enge Gassen führen auf einen zentralen Platz. Zu Beginn des Festes, am frühen Nachmittag, flanieren die Reiter mit ihren Pferden durch die Gassen - auf dem Weg zum Palast eines ausgesuchten Adligen. Dort wird die Flagge des St. Johannis übergeben. Fällt die Fahne dabei herunter, wird das Fest auf der Stelle abgesagt - aber das ist zum Glück noch nie passiert.

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Der jüngster Reiter war in diesem Jahr neun Jahre alt, der älteste 84. Nicht jeder darf am Zug teilnehmen. Er muss einer der Reiterzünfte angehören: Adliger sein, Priester, Handwerker, Kaufmann, etc. Dann muss er seit frühester Kindheit den Umgang mit Pferden der menorquinischen Rasse gewohnt sein - und: Frauen sind nicht zugelassen.

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Auf dem zentralen Platz von Cituadella sind tausende Menschen versammelt - keine Kinder, keine ganz Alten, keine völlig Betrunkenen. Aber alle sind sie ein bisschen "loco", ein bisschen verrückt. Das Ziel des Festes: Die Pferde werden von ihren Reitern durch die Menge getrieben, steigen dabei immer wieder auf, schlagen mit den Vorderläufen aus und bahnen sich einen Weg durch die dicht gepackten Menschenmassen. Die Feiernden stacheln die Pferde noch an, zwicken und schubsen sie - und doch wurde in diesem Jahr nur ein Mensch verletzt: Der Reiter der Adligen fiel vom Pferd.

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Jedes Jahr kommen etwa 50.000 Besucher zu den Festen. Der größte Teil sind Spanier vom Festland und von den umliegenden balearischen Inseln. Von dort kommen auch die ausländischen Touristen. Menorca selbst ist zwar touristisch gut erschlossen, aber keineswegs so überlaufen wie etwa Ibiza, die als die "spanischste" der Baleareninseln gilt. Im Anschluß an die Reiterfeste gibt es übrigens noch den schönen Brauch, Mädchen mit vereinten Kräften in die Luft zu werfen - hunderte Arme fangen sie sicher wieder auf.

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Die menorquinische Rasse ist Einkreuzung von englischen Pferden und Arabern. Meist sind sie schwarz, es gibt aber auch weiße und einige wenige braune Tiere. Schon als Fohlen werden die Tiere durch Spaliere von Familienangehörigen der Reiter getrieben, die, ausgerüstet mit Küchenutensilien, einen Höllenlärm machen. So gewöhnt sich das Tier an die Belastung. Und der Reiter auch.

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Nach dem Fest fällt der Ort in Art Koma - der Rest der Insel aber keineswegs. Menorca ist eine spröde Schönheit, eigensinnig, mit versteckten Buchten, prähistorischen Stätten, wildromantischen Landschaften und abgefahrenen Nachtclubs. Lange Zeit wurde die Insel vom Franco-Regime für ihre republikanische Gesinnung bestraft - also vernachlässigt. Heute ist das ihr großes Plus. Denn Bausünden und Massentrubel wie auf der großen Schwester Mallorca gibt es kaum. Pferdemetzger aber auch nicht.

Autor/Bilder: Dirk Bathe
Redaktion: Julia Kuckelkorn