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Bokova als künftige UN-Generalsekretärin?

Alexander Andreev6. März 2016

Die UNESCO-Chefin Irina Bokova gilt als Top-Kandidatin für den höchsten UN-Posten. Welche Stärken und Schwächen hat die Bulgarin und wie sehen ihre Chancen im Weltsicherheitsrat aus?

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Irina Bokova, UNESCO Generaldirektorin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Das Rennen für den höchsten internationalen Posten hat schon begonnen. Nach den ungeschriebenen Regeln der Weltorganisation sollte das Amt des UN-Generalsekretärs turnusgemäß mit einem Osteuropäer besetzt werden. Als Erster wurde offiziell der frühere slowenische Präsident Danilo Türk nominiert. Kroatien hat seine Außenministerin Vesna Pusić aufgestellt, Montenegro schickt Außenminister Igor Lukšić ins Rennen. Unter den offiziell Nominierten ist auch Srgjan Kerim aus Mazedonien, der der erste Muslim an der Spitze der UN wäre. Viele internationale Beobachter schreiben allerdings der offiziellen bulgarischen Kandidatin, der aktuellen UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova, die besten Chancen zu.

Mehrsprachig, auch im übertragenen Sinne

Bokova sei für den Job gut qualifiziert, lautet die überwiegende Meinung. Sie engagiert sich für Frauenrechte und scheut keine diplomatische Kleinarbeit, wofür sie vor allem in Entwicklungsländern geschätzt wird. Der bulgarische Politologe Andrey Raychev weist auf ihre beiden erfolgreichen Mandate als UNESCO-Chefin hin: "Sie beherrscht die Multidiplomatie, also nicht nur zwischen zwei, sondern zwischen mehreren Ländern zu vermitteln. Und sie ist die einzige Kandidatin, die sowohl Russisch als auch Englisch spricht - im wörtlichen, aber auch im übertragenen Sinne."

Irina Bokova spricht auch Spanisch und Französich - und damit insgesamt vier der sechs offiziellen UNO-Sprachen. Nach den Kriterien professionelle Erfahrung, Glaubwürdigkeit und internationale Kompetenz bekomme Bokova im Ranking des politischen Mediennetzes "Diplomatic Courier" 4.5 von 5 möglichen Punkten als Spitzenkandidatin für das höchste UN-Amt, berichtet das Wiener ARD-Büro. Bokova habe zudem die volle Unterstützung der Chinesen. 2014 ernannte sie Chinas First Lady Peng Liyuan zur UNESCO-Sonderbeauftragten für die Förderung von Mädchen- und Frauenbildung. Präsident Xi Jinping war das erste chinesische Staatsoberhaupt, das das UNESCO-Hauptquartier in Paris besuchte. Die Frage ist aber, ob Bokova auf die Zustimmung der anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder rechnen kann. Und gerade in diesem Jahr "fällt die Entscheidung zwischen Washington und Moskau", sagte ein Diplomat der österreichischen Zeitung "Die Presse". Experten gehen allerdings davon aus, dass Russland keinen Vertreter eines NATO-Staates als UN-Generalsekretär akzeptieren würde. Bulgarien ist NATO-Mitglied und trotzdem soll Bokova gute Chancen haben?

Konferenz des UN-Sicherheitsrats in New York (Foto: epa)
Experten erwarten, dass Bokova im UN-Sicherheitsrat auf die Unterstützung von Russland, China und eventuell auch Frankreich zählen kannBild: picture-alliance/dpa/A. Gombert

Eine prorussische Kandidatin?

Die Unterstützung aus Moskau sei ihr so gut wie sicher, behaupten Medien und Beobachter. Gerade dies aber könnte ein Hindernis sein. Daniel Kaddik, Projektleiter für Südosteuropa der Friedrich-Naumann-Stiftung in Sofia, sieht Irina Bokova als prorussische Kandidatin: "Bulgarien gehört zu einer Gemeinschaft, die Russlands Handlungen in der Ukraine und in Syrien besonders scharf verurteilt. Gleichzeitig versucht Moskau, mit allen Mitteln die Gemeinschaft der freien und demokratischen Staaten auseinanderdriften zu lassen. Die Nominierung von Bokova ist zweifellos ein Teil dieser Strategie."

Auch "The Economist" sieht Irina Bokova als Moskaus Favoritin: "Früher genoss Frau Bokova auch die Unterstützung der USA, machte sich dann aber Feinde, als sie 2011 versuchte, Washington dazu zu bewegen, die palästinensische Autonomiebehörde als UNESCO-Mitglied anzuerkennen. Amerika stellte seine Beiträge für die Organisation ein, die 22 Prozent des Etats gedeckt haben."

Irina Bokova gehört zu den wenigen westlichen Politikern, die 2015 bei der vom Westen boykottierten Militärparade am 9. Mai in Moskau dabei waren - und offensichtlich eine gute Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhalten. Gleichzeitig aber ist sie auch mit der Schwiegermutter von Chelsea Clinton befreundet, und das erhöhe womöglich ihre Chancen auf eine Unterstützung seitens der Demokratischen Partei in den USA. Davon geht der bulgarische Politikwissenschaftler Ognyan Minchev aus. Er weist auch auf eine mögliche Zustimmung Frankreichs im UN-Sicherheitsrat für die Kandidatur der ehemaligen bulgarischen Botschafterin in Paris hin.

Die bulgarische Kandidatin wird sich also voraussichtlich auf Russland, China und eventuell auch Frankreich verlassen können, London und Washington lassen sich bisher nicht in die Karten schauen. Vor diesem Hintergrund wird umso mehr über die Biografie der Bulgarin debattiert.

Bokova und ihre Vergangenheit

Bokova sei zwar die führende Kandidatin für den Posten, schrieb neulich die Zeitung "Wall Street Journal", sei aber durch ihre "kommunistische Vergangenheit" belastet. Denn die Bulgarin kommt aus einer kommunistischen Kaderfamilie, hat zu Breschnews Zeiten in Moskau studiert und bezog nach der Wende in Osteuropa hohe Regierungspositionen in Sofia als Mitglied der umbenannten ex-kommunistischen Partei.

"Ohne Zweifel tragen die Kinder keine Verantwortung für die Verbrechen ihrer Eltern", kommentiert Daniel Kaddik. "Die Frage ist aber, ob eine Person, die an einem tyrannischen Regime beteiligt war, mit dieser Vergangenheit verantwortungsvoll umgehen kann. Im Falle Bokova ist das fragwürdig." Und das "Wall Street Journal" schreibt: "Ja, der Kalte Kriege ist schon längst beendet, und viele ehemalige Kommunisten aus den Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts sind gute Demokraten geworden. Aber autoritäre Kräfte sind überall auf der Welt auf dem Vormarsch, angeführt von Wladimir Putin. Und als UN-Generalsekretärin würde Frau Bokova einen globalen Einfluss haben und könnte für die USA gewisse Schwierigkeiten erzeugen."