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Entspannung verboten

Andreas Becker, z.Zt. Davos26. Januar 2013

Die Stimmung auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos war in diesem Jahr gut - gefährlich gut, sagen einige der Teilnehmer. Denn immer noch ist kein Mittel gegen die Krise gefunden und die Risiken bleiben gewaltig.

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Das Logo des Forums an einer Scheibe des Congress Centrums im schweizerischen Davos (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Wetter am letzten Tag des Weltwirtschaftsforums war symbolisch für die Stimmung der Teilnehmer: Strahlender Sonnenschein ließ den Schnee funkeln und etwas tauen. Seit Jahren waren die Treffen in Davos von Angst überschattet – wegen der geplatzten Immobilienblase in den USA, der Finanzkrise, der Kreditklemme, der Schuldenkrise in Europa und zuletzt wegen eines möglichen Auseinanderbrechens der Eurozone.

Dieses Mal dagegen herrschte vor allem Erleichterung. Hurra, wir leben noch, und die Finanzmärkte sind auch relativ ruhig – so könnte man die Stimmung in Davos zusammenfassen.Gute Stimmung ist genauso selbstverstärkend wie schlechte, zumal sich alle Teilnehmer des Forums in dem kleinen Schweizer Kurort täglich über den Weg liefen. Das hat auch Mark Carney beobachtet, noch Gouverneur der kanadischen Notenbank und ab Sommer wohl Chef der Bank of England. "Ich bin Donnerstagmittag in Davos eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt wurde hier darüber gesprochen, dass die Risiken kleiner geworden sind. Einen Tag später, am Freitagabend, sprach man schon darüber, dass es gar keine großen Risiken mehr gibt."

Mark Carney, Bank of Canada (Foto: Reuters)
Mark Carney, Gouverneur der Bank of CanadaBild: Reuters

Kein Handlungsspielraum

Auch Angel Gurria findet, dass zuviel gute Stimmung gefährlich ist. "Welchen Grund haben wir überhaupt, so erleichtert zu sein?", fragt der Chef der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), einer Denkfabrik von mehr als 30 relativ reichen Ländern. "Wir haben keinen Spielraum mehr in der Geldpolitik - die Zinsen sind im Keller, die Notenbanken drucken Geld."

Auch in der Finanzpolitik gebe es keinen Spielraum mehr, so Gurria, und so bleibe nur die Hoffnung, dass die Reformen und Rettungspakete auch funktionieren. "Das ergibt kein besonders hübsches Bild. Wir sollten uns eher Sorgen machen, weil wir kaum noch Handlungsspielraum haben."

Mark Carney sieht die Lage nicht ganz so dramatisch und betont, dass die Zentralbanken ihr Pulver noch nicht ganz verschossen haben. Doch er gibt zu, dass Zentralbanker wie er die Krise nicht allein bewältigen können. "Die Zentralbanken haben überhaupt keine Möglichkeit, all die Risiken verschwinden zu lassen. Und sie können auch nichts tun, um eine nachhaltige Erholung herbeizuführen."

Keine Entspannung

Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), warnte in Davos ebenfalls mehrfach vor Selbstgefälligkeit: "Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen und entspannen." Auch der jüngste Konjunkturausblick des IWF, der für Europa in diesem Jahr eine leichte Rezession vorhersagt, habe gezeigt, wie fragil die Lage ist, so Lagarde.

Also keine Atempause, immer neue Reformen? Wie reformbereit die Europäer noch sind, wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen, im Februar in Italien, im Herbst in Deutschland.

Trevor Manuel, langjähriger Finanzminister Südafrikas und nun Chef der dortigen Planungskommission, warnt die Europäer aber davor, ihr Heil allein in der Sparpolitik zu suchen. "Zu viele meiner früheren Finanzminister-Kollegen wirken auf mich wie Rehe, die geschockt in die Scheinwerfer eines heranrasenden Autos starren. Sie wollen sich einfach nicht bewegen und halten an einem strengen Sparkurs fest. Das wird nicht funktionieren."

Wenn die reichen Länder im Norden nicht anfangen, Geld auszugeben, um ihr Wachstum anzukurbeln, stünden sie am Ende schlecht da, so Trevor Manuel: "Ich befürchte, dann haben sie höhere Defizite und immer noch kein Wachstum."

Stagnation hier, Wachstum daSeit 2007 haben sich die verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich entwickelt. In den Industrieländern ist die Wirtschaft seitdem nicht mehr gewachsen. In derselben Zeit haben die Schwellenländer 30 Prozent zugelegt, China sogar 60 Prozent. Die letzten Konjunkturdaten aus China deuten zudem darauf hin, dass die Wachstumsdelle der Vergangenheit überwunden ist, sagt Yi Gang, Vize-Gouverneur der chinesischen Notenbank.

Angel Gurria, Generalsekretär OECD (Foto: dapd)
OECD-Chef Angel GurriaBild: dapd

"Sieben Quartale hintereinander ist unser Wachstum immer kleiner geworden. Im letzen Quartal ist die Wachstumsrate erstmals wieder größer geworden. Sie beträgt nun auf das Jahr gerechnet 7,9 Prozent."

Für das laufende Jahr rechnet Yi Gang mit einem Wachstum von acht Prozent in China, bei einer Inflation von knapp über drei Prozent. Größter Wachstumstreiber sei inzwischen die heimische Nachfrage, und nicht, wie früher, der Export.

Alle in einem Boot?

Trotzdem sei China abhängig von der Entwicklung in Europa und den USA. "In der heutigen Welt sind wir alle miteinander verbunden. In China haben wir den Einbruch in Europa stark gespürt."

Auch Trevor Manuel aus Südafrika glaubt nicht an das sogenannte "decoupling", also dass sich einzelne Regionen von der wirtschaftlichen Entwicklung anderswo ablösen können. "Manchmal lernen wir hier in Davos neue Modewörter. Und dann merken wir nach einer Weile, dass das doch nicht so klug war", so der frühere Finanzminister.

Natürlich gebe es in Afrika noch viel Potenzial, den Handel zwischen den Staaten den Kontinents auszubauen. "Trotzdem ist es im Interesse Afrikas, dass sich Europa wieder erholt."