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Ohne Augen sehen - Blindwalk

3. November 2011

Es gibt die unterschiedlichsten Stadtführungen: Zu Fuß, im Bus, bei Nacht, zu besonderen Themen und in verschiedenen Sprachen. Jetzt gibt es etwas ganz anderes: Blindwalking.

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Tourguide Dr. Axel Rudolph leitet die Gruppe durch Köln (Foto: DW)
Tourguide Dr. Axel Rudolph leitet die Gruppe durch KölnBild: Blindwalk Köln

Eine lichtundurchdringliche Maske bedeckt die Augen, damit die verbleibenden vier Sinne besonders angeregt werden, denn die Devise dieser Stadtführung lautet: hören, riechen, fühlen, schmecken - in völliger Dunkelheit. Dieses Erlebnis wird derzeit in Köln angeboten. Startpunkt der einzigartigen Stadtführung: das Museum Ludwig.

Still nehmen die fünf Teilnehmer des ersten Blindwalks ihre Rucksäcke, in denen Regenjacken und Verpflegung verstaut sind. Der Tourguide, Axel Rudolph, kommuniziert über ein Mikrofon mit der Gruppe, die mittlerweile kleine Kopfhörer aufgesetzt hat: "Jetzt helfe ich allen vorne anzufassen. Und das passt ja schon alles super. Genau so, schön zusammen bleiben." Die Kopfhörer werden vor Beginn der Tour noch einmal geprüft und dann am Ohr der Teilnehmer befestigt. Die Aufregung steigt. Etwas nervös setzen die Teilnehmer die lichtdichten Masken auf.

Stadtführung in absoluter Dunkelheit

Auf dem Weg in die Innenstadt (Foto: DW)
Auf dem Weg in die InnenstadtBild: DW

Man hört Gelächter. Ein erster Moment der Orientierunglosigkeit unter den Teilnehmern ist zu spüren. Rudolph Axel beruhigt sie schnell. Er kennt dieses Problem."Am Anfang fühlt man sich ein bisschen unsicher, das ist ganz normal. Das verliert sich sehr schnell", sagt er. Der Tourguide nimmt jeden Teilnehmer einzeln an die Hand und stellt sie in Paaren hintereinander auf. Sie sollen sich an den Rucksackschlaufen des Vordermanns festhalten. So ist gesichert, dass niemand aus der Gruppe verloren geht. Axel Rudolph gibt den Takt an: "Eins. Zwei. Drei. Genau. Wunderbar. Super, jetzt gehen wir ganz langsam los."

Die Sinne werden geschärft

Vom Museum Ludwig geht es über die Domplatte zum Hauptbahnhof. Es ist ein kurzer, gepflasterter Weg, der den Teilnehmern die Möglichkeit geben soll, ihren Tastsinn auszuprobieren. Der Guide erklärt die wechselnde Bodenbeschaffenheit. Die Gruppe wird langsamer und schürft mit den Schuhen, um den Unterschied zu spüren. Im Hintergrund ist der Bahnhof zu hören. Die wechselnden Geräuschkulissen beeindrucken die Teilnehmer. Sie spüren die Temperaturunterschiede, wenn sie aus dem Schatten des Doms wieder in die Sonne treten. Die vielen neuen Erfahrungen werden von zahlreichen Informationen des Tourguides begleitet.

Bei einer Ausbuchtung in der Nähe des Hauptbahnhofs macht die Gruppe eine kurze Pause. Die Teilnehmer lösen sich von einander, behalten aber die blickdichten Masken auf. Es gibt nun die Möglichkeit, die anderen Sinne einzusetzen und zu schärfen und so viel wie möglich von der Umgebung wahrzunehmen. Die Ausschaltung des Sehens schärft die anderen Sinne. Wind, Sonne, Geräusche, Gerüche und Klänge, Wortfetzen von Passanten und die Bodenbeschaffenheit werden genauer erlebt.

Spiel mit der Finsternis

Axel Rudolph ist nicht nur der Tourguide, sondern auch Erfinder des Blindwalk. Für ihn liegt der Reiz dieser Stadtführung an den ungewöhnlichen Rahmenbedingungen und dem Spiel mit den Sinnen, vor allem in der Finsternis. Und das gilt auch für seine anderen Projekte: So entwarf er im Jahr 1988 eine Kunstaustellung in völliger Dunkelheit und eröffnete 2001 in Köln mit der "unsicht-Bar" Deutschlands erstes Dunkel-Restaurant.

Ertasten der Plastiken in der Nähe des Römisch -Germanischen Museums (Foto: DW)
Ertasten der Plastiken in der Nähe des Römisch -Germanischen MuseumsBild: DW

Die Gruppe ist mittlerweile am Kölner Dom angekommen. Der Blindwalk führt zu klassischen Sehenswürdigkeiten von Köln, aber auch zu weniger bekannten Orten in der Innenstadt. Kunst und Kultur stehen im Mittelpunkt der Stadtführung. Nach einem kurzen Abstecher in den Kölner Dom geht es weiter in die Innenstadt. Höhepunkte der Stadtführung sind das Museum für Angewandte Kunst und das Römisch-Germanische Museum. Hier dürfen die Teilnehmer sich von der Gruppe lösen und nur durch Ertasten ihren Weg um verschiedene Plastiken herum finden.

Ein einmaliges Erlebnis

Zur Stärkung gibt es zwischendurch ein Picknick - natürlich auch im Dunkeln. Zum Abschluss bekommt jeder Teilnehmer eine Karte, in die der genaue Weg ihrer Tour eingezeichnet ist. Jetzt können alle versuchen, die Eindrücke der Tour noch einmal im Hellen den markierten Stellen zuzuordenen. Eine Stunde im Dunkeln. Für die Teilnehmer eine interessante Erfahrung, die sie gerne wiederholen möchten.

Autorin: Rachel Y. Baig
Redaktion: Klaus Gehrke/Ra