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Blick über den Tellerrand

Florian Görner23. August 2002

In Deutschland leben Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt. Egal ob sie sich im September an der Bundestagswahl beteiligen oder nicht: eine Meinung dazu haben fast alle.

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Türkische Familie in Berlin-KreuzbergBild: Bilderbox

Chantal Favé (48) aus Eaubonne bei Paris sieht zwischen den französischen Wahlen und der Bundestagswahl einen markanten Unterschied: "Eigentlich haben die deutschen Wähler doch nur die Wahl zwischen zwei Personen als Kanzler." Dagegen habe man in Frankreich eine deutlich größere Auswahl, einen Kandidaten zu wählen, der einem politisch auch wirklich zusage.

Mehr Möglichkeiten oder weniger - Giovanni Ciotto (29) stammt aus Italien und für ihn macht das keinen Unterschied. Er darf zwar wählen im September, wird von seinem Wahlrecht jedoch keinen Gebrauch machen: "Die Politiker sind doch sowieso alle Verbrecher, ob in Italien oder in Deutschland, das macht keinen Unterschied." Auch in Italien würde er nicht an der Wahl teilnehmen.

Ein persisch-stämmiger Arzt sieht das ähnlich. Auch er ist in Deutschland wahlberechtigt, aber er findet: "Politiker sind doch zum größten Teil korrupt, ich gehe nicht wählen." Für ihn ist die SPD die Partei der "dritten Klasse", die CDU die Partei der Kapitalisten und die FDP die Partei für die Geldverdiener – wie ihn selbst. Ein Unterschied zwischen dem Iran und Deutschland sei vielleicht, dass es hier etwas demokratischer zugehe, betont er.

Türkei: Wahl nach Personen

Ganz anders verhält es sich bei Aydin Alptekin (64). Alptekin ist türkischer Staatsbürger und würde sich gerne an der Bundestagswahl beteiligen – darf es aber nicht. Ein Unterschied zwischen Wahlen in der Türkei und in Deutschland liegt seiner Ansicht nach im Wahlverhalten der Bürger. "In der Türkei wird eher nach Personen gewählt, nicht so sehr nach Parteien." Zudem herrsche in Deutschland ein weitergehendes Recht auf freie Meinungsäußerung als in seinem Herkunftsland, sagt er. Dass junge Menschen sich hierzulande so wenig für Politik interessieren, verwundert ihn, schließlich hänge doch ihre Zukunft von den Entscheidungen der Politiker ab.

Was ihn als Ausländer an deutscher Politik besonders interessiert? "Einige Menschen haben hier doch eine etwas feindselige Haltung Ausländern gegenüber. Mir ist wichtig, wie Politiker damit umgehen." Ob im September die SPD oder die CDU die Regierung stellen wird, wird seiner Meinung nach keinen großen Unterschied machen.

Perfekte Politik?

Für Jane Gacheru (34) aus Kenia betrachtet die hiesigen Probleme aus einer anderen Perspektive. Im Vergleich zu ihrem Heimatland gehe es den Deutschen so gut, dass ihre Politik eigentlich perfekt sein müsse, sagt sie. Auch zwischen deutschen und kenianischen Wählern gebe es einen großen Unterschied. So etwas wie die in Deutschland viel beklagte Politikverdrossenheit sei in Kenia nicht denkbar:

"Die jungen Leute hier haben so viele Möglichkeiten, es geht ihnen so gut, dass sie einfach keine Motivation haben, sich um Politik zu kümmern. In Kenia wählt jeder, der nur irgendwie die Möglichkeit dazu hat, denn alle wissen, dass Politik sie direkt betrifft."