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Bleibt er, wackelt er, kippt er?

11. Mai 2004

Welches Ausmaß haben die Steuerausfälle? Wann tritt Finanzminister Eichel zurück? Wie hoch wird die Neuverschuldung? Wann wird die Mehrwertsteuer erhöht? Antworten sind gefragt von Deutschlands Politikern.

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Hans Eichel hat schon seit längerem nichts mehr zu lachenBild: AP


Schon in der vergangenen Woche wurde Finanzminister Hans Eichel bloßgestellt, als sein in interner Runde vorgetragener Vorschlag für ein Radikalprogramm mit drastischer Mehrwertsteuererhöhung nach außen getragen wurde. Der Minister verwies auf eine Arbeitsgruppe und betonte, in seinem Haus müssten selbstverständlich sämtliche Optionen auf ihre Chancen hin geprüft werden. Dies müsse man "intern theoretisch diskutieren dürfen". Die Diskussion blieb aber nicht im internen Kreis. Bundeskanzler Gerhard Schröder pfiff den Finanzminister samt seinem Radikalprogramm zurück. Auch bei der Aufstellung des Haushalts lässt Schröder seinen Finanzminister nicht allein walten. Auf der Basis der Mai-Steuerschätzung sei eine "erweiterte Runde" mit dem Kanzler geplant, um über das Ergebnis zu sprechen.

Neue Schulden stehen ins Haus

Nach immer neuen Indiskretionen und Spekulationen steht jetzt eine Woche nüchterner Zahlen an. Spätestens am Donnerstag weiß die Republik zumindest, welche neuen Finanzlöcher zu stopfen sind. Das Rätselraten über die rot-grüne Strategie aus der Haushaltsmisere dürfte dann munter weitergehen. Die Konsequenzen will die Koalition "zeitnah" erörtern. Dabei geht es nicht nur um neue Steuerausfälle. Auch andere Mindereinnahmen drohen. Allein in diesem Jahr könnten es unterm Strich 10 bis 18 Milliarden Euro sein.

Neue Schulden in Milliardenhöhe und damit 2005 der vierte Verstoß gegen die Defizitregeln des Euro-Stabilitätspaktes werden in der Regierung nicht mehr ausgeschlossen - auch wenn öffentlich bekundet wird, dass es zumindest Ziel bleibe, die Verschuldung wieder unter die zulässige Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken und einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. In der Koalition tobt derweil ein heftiger Richtungsstreit, ob das einstige rot-grüne Prestigeprojekt - Sparen und runter vom Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro - nun endgültig aufgegeben werden soll.

Deutschland ist nicht allein

Ein weiteres Sparpaket - die meisten führenden Forschungsinstitute haben weitere Einsparungen von zwölf Milliarden Euro verlangt - hat der Kanzler abgelehnt. Ebenso Pläne für eine unpopuläre Anhebung der Mehrwertsteuer. Schnelle Privatisierungserlöse wiederum gibt es nicht auf Bestellung. Und die immer rund um die Steuerschätzung aufkommenden Gerüchte, der Bund erwäge einen Verkauf von Forderungen ans Ausland, werden dementiert. Bliebe eine höhere Neuverschuldung.

Das Finanzministerium selbst rechnet bis Ende 2007 mit neuen Steuerausfällen für den gesamten Staat von rund 50 Milliarden Euro. Worauf sich Bund, Länder und Kommunen einstellen müssen, zeigt sich erst an diesem Donnerstag, wenn alle Steuerschätzer ihre jeweiligen Prognosen verglichen und sich auf ein Ergebnis geeinigt haben. Sollte es 2005 bei den von Eichels Experten unterstellten Ausfällen von 14 Milliarden bleiben und diese über neue Schulden beglichen werden, würde sich die Defizitquote um etwa 0,65 Prozentpunkte erhöhen.

Wann geht Eichel?

Zumindest seitens der EU-Kollegen scheint Eichel vorerst keine neue Schelte befürchten zu müssen. Beim Treffen der Euro-Gruppe am Montagabend sollten neue Haushaltsnöte und alte Versprechen Eichels nach dem letzten Defizitstreit nicht zur Sprache kommen. Schließlich hat sich der Kreis der "Defizitsünder" inzwischen weiter vergrößert. Mehr Ärger hat der Finanzminister, der auf Konsolidierungskurs bleiben möchte, im eigenen Haus.

Etliche Kabinettskollegen wollen dem einstigen Sparkommissar angeblich nicht mehr folgen und weigern sich, mit ihm die seit Jahrzehnten üblichen "Chefgespräche" über die Etats der einzelnen Ressorts zu verhandeln. Alles falsch, dementierte die Bundesregierung. Die Chefgespräche würden am 11. Juni enden, der Etat am 23. Juni im Kabinett eingebracht. Dafür sei allein Eichel zuständig. Ob dieser im November bei der Verabschiedung des Etats im Bundestag dann noch auf der Regierungsbank sitzt, bleibt offen. (arn)