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Kulturkampf im Südwesten

Juli Rutsch31. März 2014

Die Kirchen in Baden-Württemberg kritisieren die Reform des dortigen Bildungsplanes 2015. Das biblische Menschenbild zählt, sagt Frank Otfried July, Landesbischof der württembergischen Landeskirche, im DW-Interview

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Frank Otfried July Landesbischof der Evangelischen Landeskirche
Bild: Ev. Medienhaus/Stoppel

DW: Sollte das Thema Sexuelle Vielfalt im Lehrplan stehen?

Bischof Frank Otfried July: Dass die Schule als Bildungseinrichtung die Verschiedenheit menschlicher Sexualität thematisiert, ist in Ordnung. Es muss allerdings alters- und sachgerecht sein.

Die Kirche lehnt es also nicht ab, die Schüler zu einer Offenheit gegenüber sexueller Vielfalt zu erziehen?

Nein, ich bin für Toleranz. Dort, wo in unserer Gesellschaft verschiedene Formen sexueller Orientierung auftreten, müssen Toleranz und Würde gewährleistet sein. Aber ich bin gleichzeitig dafür, dass das biblische Menschenbild auch mit gesehen und die Frage der sexuellen Vielfalt in diesem Rahmen diskutiert wird.

Wir waren als Kirche nicht unzufrieden, dass es die Frage der sexuellen Vielfalt im Schulunterricht gibt. Wir waren nur unzufrieden mit der Entstehung des Bildungsplanes und mit der Vorbereitung. Wir glauben, dass das ein sensibler Bereich ist, der eben auch sensibler behandelt werden muss. Das war eigentlich der Hauptgrund. Nicht das Ob, sondern das Wie. Als Christen sehen wir die Familie im Mittelpunkt, die Weitergabe des Lebens. Aber das zu unterstreichen, heißt nicht, von vornherein andere Formen zu diskriminieren.

Gegen die Ausrichtung des Bildungsplanes gibt es auch eine Online-Petition mit inzwischen fast 200.000 Unterschriften...

Der Einspruch der Bildungsreferenten unserer vier Kirchen in Baden-Württemberg – den sie aus sachlichen Gründen erhoben haben – wurde direkt verbunden sowohl mit der Petition, mit der die Kirchen nichts zu tun hatten, als auch mit der Frage der Abwehr von Homosexualität. Das hat mich geärgert, weil das nicht im Interesse der Kirchen war.

Entspricht es dem Gebot christlicher Nächstenliebe, den Menschen so zu nehmen, wie er ist, mit all seinen Besonderheiten?

Man sollte den Menschen erst einmal annehmen, wie er ist. Das heißt aber nicht, dass alles, was wir tun als Menschen, von vornherein richtig ist. Der alte theologische Satz: ‚Gott liebt den Sünder, aber nicht die Sünde‘, gilt. Wobei ich das bei der Frage nach sexueller Vielfalt noch einmal anders sehe. Da geht es auch noch um andere Fragen.

Welche?

Man kann nicht von vornherein sagen, es ist Sünde, wenn ein Mensch sexuell anders empfindet. Sünde ist in meinem Verständnis Abwendung von Gott und seinen Weisungen. Und in diesem Fall: Wir haben viele Christen in unserer Landeskirche, die sexuell anders empfinden. Die würde ich auch erst einmal als Menschen sehen, die sich zu Gott hinwenden.

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Dr. h. c. Frank Otfried July leitet als Landesbischof die Evangelische Landeskirche in Württemberg.