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Biologisch-dynamisch in Stolzenau

Meike Meyer15. September 2004

Wer seine Heimat verlassen muss, weil er politisch verfolgt wird, weiß meistens nicht, wann und ob er jemals zurückkehren kann. Was bedeutet es, Verwandte, Freunde und alles Vertraute auf ungewisse Zeit zurückzulassen?

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Auch Kunsthandwerk bietet Jilani in seinem Bioladen anBild: dpa

Vor 25 Jahren musste Peter Jilani sein Geburtsland Pakistan verlassen. Er hatte sich in der Volkspartei, der "Pakistan People's Party" engagiert, die 1977 durch einen Militärputsch unter der Führung des Generals Mohammed Zia ul-Haq entmachtet und verboten worden war. Ein halbes Jahr dauerten Haft und Folter, bis die rasche Initiative seines Bruder Andrews Erfolg hatte: "Mein Bruder hat zu Hause im Radio gehört, dass ich verhaftet worden war, und hat Amnesty informiert. Die haben sich dann für mich eingesetzt."

So kam er nach Deutschland - sein Bruder Andrew wanderte in die USA aus. Peter Jilani wollte nur für drei Monate in Deutschland bleiben, in einem Land dass er nicht kannte und dessen Sprache er nicht verstand. Aber die erhofften demokratischen Wahlen in Pakistan blieben aus. Er schrieb sich für einen Deutschkurs ein, bei dem er seine erste Frau kennen lernte. Obwohl er in Pakistan schon einige Jahre als Lehrer gearbeitet hatte, wurde sein Studium in Deutschland nicht anerkannt. Also studierte er noch einmal - diesmal Erwachsenenpädagogik - und beschloss zu bleiben.

Politisches Engagement fehlt

Mit dem Gedanken, nach Pakistan zurückzukehren, hat er nur noch einmal gespielt. Als die "Pakistan People's Party" 1988 wieder an die Macht gelangte, reiste Jilani nach Pakistan und traf dort seine alten Freunde. Doch die politische Lage erschien ihm für eine Rückkehr nicht stabil genug. Er nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an, wurde Mitglied der Partei "Die Grünen", und engagierte sich als Berater für Flüchtlinge und andere Migranten. Politisches Engagement ist es auch, was ihm bei seinen alteingesessenen deutschen Mitbürgern fehlt. "Das Grundgesetz, das wir hier in Deutschland haben, das ist einmalig. Es ist schade, dass die Menschen wenig danach leben."

Weil beim Diakonischen Werk eine Stelle als Migrations- und Flüchtlingsberater frei wurde, zog Peter Jilani 1991 in das 4000-Einwohner-Dorf Stolzenau. Dort wachsen seine drei Kinder aus zweiter Ehe auf. Seine Frau Dörthe, eine gebürtige Deutsche, führt in Stolzenau einen Bioladen, den Peter Jilani gegründet hat. Neben ökologisch angebautem Obst und Gemüse, Käse und Gebäck von Bauern aus der Region, gibt es fair gehandelten Kaffee, Kakao und Kunsthandwerk aus Afrika und Lateinamerika.

Hartes Pflaster auf dem Land

Große Gewinne lassen sich mit dem Laden in der eher konservativ geprägten ländlichen Region nicht erzielen, aber darum geht es dem Ehepaar auch gar nicht. Viele der bunten Textilien und Schnitzereien beziehen sie direkt von den Handwerkern, so dass diese den Erlös nicht mit Zwischenhändlern teilen müssen. Der Kontakt wurde durch Flüchtlinge und Migranten aus den jeweiligen Ländern hergestellt, die Peter Jilani in Stolzenau betreute, wenn sie Probleme hatten.

Gerade auf dem Land, wo die Menschen weniger an kulturelle Vielfalt gewöhnt sind, ist es keine leichte Aufgabe, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Viele Dorfbewohner stehen dem selbstbewussten Mann kritisch gegenüber und zeigen wenig Interesse an den Begegnungen zwischen Einheimischen und Migranten, die er unermüdlich organisiert. Doch das spornt Jilani an: "Es ist ein hartes Pflaster, hier zu arbeiten. Da muss man ein dickes Fell haben. Aber ich mag Aufgaben, die Herausforderungen mit sich bringen." Und bis jetzt meistert Peter Jilani diese Aufgabe mit Bravour.