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Bio-Pillen für Herrchens Liebling

5. April 2002

Für das geliebte Haustier gibt’s inzwischen Design-Halsbänder und Edel-Fressnäpfe. Nun verändert gesteigerte Liebe die Praxis der Tierärzte - auch zum Wohle des Menschen.

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Schöne neue Hunde-Welt?Bild: AP

Gliff hat's im Kreuz. "Vielleicht hätte ich doch nicht springen sollen, mit elf Jahren kommen die Altersgebrechen", mag sich der Hund "gedacht" haben, nachdem er sich im vergangenen Oktober mit seinem Frauchen vom Hundeplatz trollte, wo er mit Tempo eine Hürde übersprungen hatte.

Weil Gliff seither nur noch schlich, ging Linda Diem mit ihm in die Tierarztpraxis von Heidi Kübler. Die setzte dem lahmen Rüden Akupunkturnadeln und brachte ihn so wieder auf Trab. Genau wie die 14-jährige Katze Resi von der Familie Herbst, deren Nierenleiden sich dank Homöopathie besserte. Denn Kübler ist ehrenamtliche Vorsitzende der Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin (GGTM) und hat sich in ihrer Praxis der Naturheilkunde verschrieben.

Hype, Trend oder Fortschritt?

Etwa 320 der 3800 Tierärzte in Deutschland haben mittlerweile eine anerkannte Zusatzausbildung in Homöopathie, Akupunktur und biologischer Tiermedizin - bei steigender Tendenz. Zusammen mit der Akademie für tierärztliche Fortbildung und der Bundestierärztekammer informiert die GGTM an diesem Wochenende (6. und 7.4.) im bayerischen Erlangen auf dem 2. Internationalen Kongress für Ganzheitliche Tiermedizin über neueste Entwicklungen. Gut 250 Tierärzte aus sechs Ländern nehmen an dem Kongress teil.

Nach Angaben der Bundes-Tierärztekammer ist das Interesse an "sanfter Medizin" für Haus- und Nutztiere zuletzt stark angewachsen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Bei den Haustieren steigt der Altersdurchschnitt immer weiter an, doch damit wird auch die Zahl der möglichen Zipperlein größer. "Die Tiere haben chronische Erkrankungen wie Hüftgelenks- und Wirbelsäulenprobleme oder Bauchspeichelerkrankungen," sagt Kübler. An einigen Punkten können alternative Methoden besser helfen als die Schulmedizin, glaubt die Tierärztin aus dem baden-württembergischen Obersulm. So hätten viele ältere Katzen Nierenleiden und könnten bei Gelenkerkrankungen keine Schmerzmittel vertragen, weshalb nur Akupunktur helfe.

Gesünderes Fleisch?

Genau wie in der Humanmedizin gibt es aber auch bei den Veterinären "sehr gespaltene Lager" zwischen Befürwortern und Gegnern der Naturheilkunde, berichtet Kübler. Wachsende Anerkennung erhoffen sich die alternativen Tierärzte durch den Bereich der Nutztiere wie Rinder und Schweine. Kongressleiter Andreas Striezel erwartet, dass die Biobetriebe, deren Zahl stetig steigt, zu den Kunden der ganzheitlichen Tiermediziner zählen werden.

Erstmals gibt es in diesem Jahr deshalb auf dem Kongress einen Kurs für die Tierärzte zur alternativen Betreuung von ganzen Beständen. Laut Kübler übersteigt aber auch schon jetzt die Nachfrage von Landwirten "bei weitem" das Angebot an ausgebildeten Alternativ-Veterinären. Für die Bauern gebe es auch finanzielle Vorteile: Weil etwa die Milch von mit Antibiotika behandelten kranken Kühen über einen längeren Zeitraum vernichtet werden muss als die von homöopathisch behandelten, könne sich diese Behandlung lohnen.

Weniger Chemie!

Für den Normalbürger ist die alternative Behandlung häufig aber ein teureres Vergnügen als die Behandlung mit den herkömmlichen Methoden der Schulmedizin. Linda Diem sieht für ihren Schäferhund Gliff dennoch keine Alternative: "Mir ist das lieber, als wenn mein Hund Tabletten schluckt," sagt Diem. Sie verzichte selbst so weit es geht auf Medikamente und setze auf alternative Methoden. "Was ich nicht einnehme, muss auch mein Hund nicht nehmen." (dpa/kas)