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Binnennachfrage stützt Wachstum

24. Januar 2011

Investitionen von Unternehmen in Maschinen und Bauten haben im letzten Jahr maßgeblich zum starken Wirtschaftswachstum beigetragen – sie stiegen um fast elf Prozent. Der private Konsum wächst kaum.

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Ein Kunde zahlt an der Kasse eines Supermarktes (Foto: AP)
Das Geld sitzt lockerer bei den KonsumentenBild: AP

In Deutschland ist der Optimismus ausgebrochen. Unternehmen vertrauen darauf, dass wieder mehr Aufträge eingehen und rüsten sich. Mehr als zwei Drittel des Wachstums im Jahr 2010 gehen auf das Konto der Binnenwirtschaft. Dieser Schwung im Inland soll auch im neuen Jahr weiter anhalten, prophezeit das Münchner ifo-Institut. Kai Carstensen, Abteilungsleiter im Bereich Konjunktur und Befragung, beschreibt die Situation der Betriebe, die während der Krise Investitionen hinten angestellt haben: "Die Unternehmen haben einen enormen Nachholbedarf. Deutschland hat in den letzten zehn Jahren im internationalen Vergleich nicht allzu viel investiert. In vielen Jahren war Deutschland sogar Schlusslicht." Jetzt brauche die Industrie wieder Maschinen, daher werde wieder investiert.

Privater Konsum zeigt Zuversicht

Kai Carstensen, Konjunkturchef beim ifo-Institut (Foto: AP)
Kai Carstensen, Konjunkturchef beim ifo-InstitutBild: APImages

Von den Unternehmen ist der neue Optimismus jetzt auch zu den Verbrauchern übergesprungen. Firmen stellen wieder öfter ein und entlassen seltener, die Perspektive ist gut. Doch die Deutschen tragen fast traditionsgemäß einen Großteil ihres Einkommens zur Bank, anstatt es auszugeben. Daher überrascht es auch den Konjunktur-Experten Carstensen, dass der private Konsum so stark anzieht. "Das ist das wirklich Neue: der Konsum der privaten Haushalte. Der hilft jetzt zusätzlich, die Konjunktur anzuschieben."

Es lohnt sich derzeit, sein Einkommen auch auszugeben, besonders für große Ausgaben. Die niedrigen Zinsen verlocken zum Beispiel, ein Haus zu kaufen. Verbraucher haben derzeit auch die Zuversicht, sich langfristig mit Krediten zu verpflichten. Deutschland steht nicht nur durch die Erholung nach der Krise gut da. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft seit der Wiedervereinigung habe eine Basis für solides Wachstum geschaffen, so Carstensen: "Es hat in Deutschland keinen großen Crash gegeben, sondern viele Jahre des Gesundschrumpfens, und diese Phase haben wir jetzt hinter uns gelassen." Damit sei auch die Zeit gekommen, um die Früchte dieser mageren Jahre zu ernten.

Unsicherer Aufschwung

Gustav Horn, Direktor des Deutschen Instituts Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (Foto: AP)
Gustav Horn, Direktor des Deutschen Instituts Instituts für Makroökonomie und KonjunkturforschungBild: AP

Doch ob die Konsumlust wirklich anhält oder die Verbraucher nach der Krise nur kurz aufatmen, steht noch in den Sternen. Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, hält die Aussage für verfrüht, dass der Binnenkonsum auf Dauer Konjunkturtreiber werden könne: "Bislang steht das positive Szenario, dass Deutschland sich jetzt über eine starke Binnennachfrage in eine Aufschwungsituation hineinbewegt und jetzt über mehrere Jahre hohes Wachstum hat, noch auf sehr wackligen Füßen." Externe Faktoren wie die Eurokrise können diese Zuversicht der Deutschen schnell wieder zunichte machen.

Der Konsum steht und fällt mit der Kaufkraft der Bürger. Doch nirgends in Europa steigen die Reallöhne so langsam wie in Deutschland. Das niedrige Lohnniveau hat den Unternehmen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verholfen und den Export beflügelt. Niedrige Reallöhne bedeuten aber auch: Die Verdiener können sich mit ihrem Einkommen weniger leisten. Die Lösung kann für Horn nur ein Ende der Niedriglohnpolitik sein: "Es ist notwendig, dass wir in der Lohnentwicklung eine Trendwende erreichen, wo die Reallöhne wieder durchgreifend steigen, so dass die Leute tatsächlich mehr Geld in ihren Portemonnaies haben. Dann wird sich sicherlich der Konsum auch stark beschleunigen."

Exportindustrie bleibt deutsches Steckenpferd

Ein Containerschiff wird am Hamburger Hafen abgefertigt (Foto: dpa)
Deutschland ist Vizeweltmeister beim ExportBild: picture-alliance/ dpa

Eines wird sich so schnell jedoch kaum ändern: Die Exportindustrie bleibt auch weiterhin für Deutschland enorm wichtig, auch wenn Wirtschaftskrisen auf der ganzen Welt Deutschland dadurch besonders beuteln. Denn seinen Wohlstand, erklärt Carstensen, hat Deutschland seiner Rolle als Exportnation zu verdanken. Die Industrie könne sich auf eine Auswahl von Produkten konzentrieren, bei denen sie besondere Expertise habe. Das bringe höhere Verdienste im internationalen Handel - und gute Löhne für die Arbeiter in der Exportindustrie. Das wird kaum jemand aufgeben wollen, prophezeit Carstensen: "Ich glaube, jeder würde lieber alle paar Jahrzehnte eine Krise aushalten, die ja in Deutschland recht glimpflich war, als dauerhaft sein Einkommen zu halbieren."

Autorin: Annika Reinert
Redaktion: Zhang Danhong