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Billiges Öl bedroht Stabilität

Matthias von Hein25. März 2016

Öl hat in den letzten 20 Monaten zwei Drittel seines Wertes verloren. Die Verbraucher freut es. Aber das Geld wird knapp in den Erzeugerländern. Deren Fähigkeit schwindet, das Wohlverhalten der Bevölkerungen zu erkaufen.

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Symbolbild Ausfall der Ölpreise (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Seit Monaten reiben sich Autofahrer die Augen. Benzin an den Tankstellen wird immer billiger. Genauso sinken für viele Verbraucher die Kosten für Heizung und Warmwasser. Hintergrund ist ein dramatischer Verfall des Ölpreises wegen anhaltender Überkapazitäten bei der Förderung. Im Juni 2014 lag der Ölpreis noch bei über 114 US-Dollar pro Barrel (159 Liter). Im Januar dieses Jahres war er kurzzeitig sogar unter 30 US-Dollar pro Barrel gefallen. Mittlerweise pendelt er sich bei rund 40 US-Dollar ein. Der Preisverfall ist umso erstaunlicher, als in der wichtigen Förderregion Mittlerer Osten gewaltsame Konflikte toben. Solche Unsicherheiten hatten in der Vergangenheit den Ölpreis stets nach oben getrieben.

Infografik Öl-Preis Entwicklung Deutsch
Ölpreis im Sinkflug

So erfreulich der niedrige Ölpreis für viele Verbraucher auch ist: Der Ölpreisverfall bringt auch Risiken mit sich. Nur zur Erinnerung: Der letzte bedeutende Zusammenbruch des Ölpreises in den 1980er Jahren hat die Welt fundamental verändert. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hatte auch damit zu tun, dass Moskaus wichtigster Devisenbringer Öl damals drei Viertel seines Wertes verlor.

Schwindender finanzieller Spielraum

Auch jetzt erheben sich warnende Stimmen. Denn fünf Jahre nachdem eine Welle von Aufständen über die arabische Welt hinweg fegte, droht ausgerechnet dieser politisch instabilen Region weitere Unsicherheit infolge der sinkenden Öleinnahmen. Die finanziellen Spielräume der Regime sind massiv eingeschränkt. Nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds haben allein die sechs Staaten des Golfkooperationsrates 2015 wegen des niedrigen Ölpreises 340 Milliarden US-Dollar an Einnahmen eingebüßt. Wie in anderen Öl exportierenden Staaten bedeutet das: Wegen der gesunkenen Einnahmen kann weder die eigene Klientel mit Wohltaten bei Laune gehalten werden, noch kann im Falle Saudi-Arabiens auf Dauer eine auf Öldollars basierende offensive Außenpolitik fortgesetzt werden. Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies CSIS in Washington drückt es so aus: "Sie können nicht innerhalb eines Jahres 40 Prozent ihrer Öl- und Gaseinahmen verlieren und nicht leiden".

Infografik Benötigter Ölpreis für einen ausgeglichen Haushalt in US-Dollar Deutsch
Schwere Zeiten für die Haushälter der Ölproduzenten

Ende des Gesellschaftsvertrags?

Cordesman hat Mitte März eine Studie zu den bevorstehenden Einnahme-Krisen im Mittleren Osten und Nordafrika veröffentlicht. Darin weist er darauf hin, dass in der Region die tiefer liegenden Ursachen der Arabellion von 2011 nicht angegangen worden sind und sich auf Grund von Kriegen und Krisen eher verschlechtert haben: Wachsender Bevölkerungsdruck, fehlende Wirtschaftsentwicklung, Mangel an Arbeitsplätzen und Karrierechancen für einige der jüngsten Gesellschaften der Welt sowie korrupte und unfähige Regierungen. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erwartet Cordesman eine Zuspitzung der Lage in der zweiten Jahreshälfte. Zwischen Juni und August müssten einige Länder deutliche Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben durchsetzen. Das, so der Sicherheitsexperte Cordesman, könnte den ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag in Frage stellen: Dass Zuwendungen aus den Gewinnen in der Ölindustrie getauscht werden gegen die Aufgabe von Bestrebungen nach politischen Freiheiten, nach einer offeneren Gesellschaft und einer offeneren Wirtschaft.