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Billiges Öl, schleichendes Gift

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Rolf Wenkel
4. Dezember 2015

Es gibt Leute, die trauern den Zeiten nach, als das OPEC-Kartell den Ölpreis in beliebige Höhen schrauben konnte. Das zwang zur Suche nach Alternativen und zum Sparen. Diese Anreize fehlen jetzt, meint Rolf Wenkel.

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Ölförderung
Bild: AP

Stell' Dir vor, das OPEC-Kartell erdölexportierender Länder berät in Wien über eine Kürzung der Förderquoten - und alles bleibt beim alten: einer Fördermenge von 30 Millionen 159-Liter-Barrel täglich. Kein Wunder, dass der Ölpreis nur noch eine Richtung kennt: nach unten. Seit Mitte vergangenen Jahres hat sich der Preis mehr als halbiert, von etwa 110 auf rund 44 Dollar pro Barrel. Die Gründe für diesen Preisverfall sind schnell aufgezählt: Die Nachfrage nach dem schwarzen Saft schwächelt wegen der mauen Weltkonjunktur, große Schwellenländer wie etwa Brasilien stecken in einer Rezession oder drosseln - wie China - wegen Umbauarbeiten in ihrer Wirtschaft das Wachstumstempo.

Hinzu kommt, dass ein neuer globaler Player das Angebot ausweitet: Die USA haben sich durch ihre umstrittene Fracking- Fördertechnik zum weltweit drittgrößten Ölförderer nach Russland und Saudi-Arabien aufgeschwungen. Maue Nachfrage und zusätzliches Angebot drücken den Preis - so sehr, dass kleinere OPEC-Länder wie etwa Venezuela, deren Staatshaushalte von den Öleinnahmen abhängig sind, Alarm schlagen und dringend eine Kürzung der Förderquoten verlangen.

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Rolf Wenkel, DW-Wirtschaftsredaktion

Saudi-Arabien mauert

Bislang aber sind diese Länder bei Saudi-Arabien, dem mit Abstand größten OPEC-Produzenten, auf taube Ohren gestoßen. Dieses Land hat ganz offensichtlich eigene Interessen, nämlich den Ölpreis so lange niedrig zu halten, bis auch das letzte amerikanische Fracking-Unternehmen wegen Unwirtschaftlichkeit aufgibt. Denn das Herauspressen von Rohöl aus porösen Gesteinsschichten ist nicht nur aufwändig und umweltpolitisch umstritten, sondern auch teuer.

Allerdings hat selbst der OPEC-Beschluss, die Ölförderung unverändert zu lassen, mittelfristig kaum Auswirkungen auf den Ölpreis. Denn jedes Kartell hat einen eingebauten Selbstzerstörungsmechanismus: Wird das Angebot verknappt, steigt der Preis. Hohe Preise verführen die Produzenten aber dazu, mehr zu produzieren, um die Einnahmen zu steigern - und schon ist die mühselig vereinbarte Förderdisziplin dahin. US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich die OPEC-Mitglieder seit 30 Jahren nur in vier von 100 Fällen an die vereinbarten Förderquoten gehalten haben.

OPEC - ein zahnloser Tiger

Zudem stehen die zwölf OPEC-Länder nur noch für rund ein Drittel der weltweiten Rohölförderung. Damit haben sie längst nicht mehr den alles entscheidenden Einfluss auf die Weltmarktpreise für Öl wie noch in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Und was haben wir davon? Freilich, Autofahrer und Heizölkunden frohlocken, sie haben mehr Geld für Konsumausgaben übrig, und auch für rohstoff- und energieintensive Unternehmen wirken niedrige Ölpreise wie ein Konjunkturprogramm. Ich finde es allerdings sehr schade, dass die OPEC nicht mehr in der Lage ist, höhere Preise durchzusetzen - denn auf lange Sicht wirkt dieses Konjunkturprogramm wie schleichendes Gift.

Anreize fehlen

Es lässt uns nämlich nur allzu schnell vergessen, dass wir immer noch abhängig sind vom Erdöl wie ein Junkie von der Nadel. Es mag zwar richtig sein, dass wir versuchen, immer sparsamer mit diesem endlichen Rohstoff umzugehen, Häuser zu dämmen, effizientere Produktionsverfahren zu ersinnen, erneuerbare Energieträger zu fördern. Doch die Abhängigkeit vom Öl bleibt bestehen, solange für das Auto, das Flugzeug und fast alle Produkte, mit denen wir uns umgeben, kein Ersatz gefunden wird. Und die Versuche, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien, werden immer halbherziger, je billiger das Öl wird.

Man braucht sich nur mal umzuschauen: Der Computer, die Tastatur, das Telefon, die Schreibtischoberfläche, der Plastik-Kaffeebecher: Überall steckt Erdöl drin - und die nächsten Generationen werden uns vermutlich dafür verfluchen, dass wir das Zeug einfach nur verbrannt haben. Im Grunde befinden wir uns in einem Wettlauf mit der Zeit: Schaffen wir es, unser Wirtschaften rechtzeitig auf die Zeiten nach dem Erdöl umzustellen, oder schaffen wir es nicht? Das OPEC-Kartell ändert leider nichts am momentanen Preisverfall für diesen endlichen Rohstoff - und das ist sehr schade.


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