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Bildung statt Bargeld

15. Januar 2010

Mehr als 150 verschiedene Leistungen gibt es in Deutschland, um Familie und Ehe zu fördern. Doch viele Instrumente wirken nicht immer so, wie sie sollen. Wären Gutscheine und Sachleistungen besser als Bargeld?

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Mädchen in der Kinderbibliothek (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / ZB

Drei Millionen Kinder und Jugendliche sind in Deutschland nach Schätzungen von Wohlfahrtsverbänden von Armut betroffen. Trotz Kindergeld, trotz Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss und vieler anderer staatlicher Zuwendungen für Familien. "Armutsprobleme lassen sich nicht mit der Gießkanne lösen", sagt Georg Ehrmann von der Deutschen Kinderhilfe. "Viele Eltern vor allem in der Unterschicht sind mit der Erziehung ihrer Kinder schlichtweg überfordert." Diesen Familien helfe man nicht, indem man ihnen immer mehr Bargeld überweise.

"Wir müssen endlich umsteuern", fordert Ehrmann. "Wir sollten das Geld besser in den Ausbau guter Kindertagesstätten und Schulen mit Sport- und Musikangeboten und Ganztagesbetreuung investieren." Es sei gut, dass in Deutschland jetzt auch wieder über Sachleistungen und Gutscheinmodelle diskutiert werde.

Geld für Computerspiele, Alkohol und Zigaretten

Porträt der FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger (Foto: DW)
FDP-Fraktionschefin Birgit HomburgerBild: DW-TV

Die Debatte hatte die FDP angestoßen: Sie plädiert dafür, die nächste Kindergelderhöhung und auch das ab 2013 geplante Betreuungsgeld nicht bar auszuzahlen, sondern in Form von Gutscheinen, etwa für Kunst- oder Musikkurse. Das Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich sollen Eltern erhalten, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen und keine Tageseinrichtung in Anspruch nehmen. "Das Gutscheinmodell wäre sozial gerechter und vor allem treffsicher", sagt FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. Denn nur so könne sichergestellt werden, dass die staatliche Leistung tatsächlich den Kindern zugutekomme.

Kritiker des Betreuungsgeldes befürchten, dass Eltern ihre Kinder aus dem Kindergarten nehmen werden, um das Geld zu erhalten, ihre Kinder mit diesem Geld aber nicht förderten. "Wir wissen, dass in Deutschland mindestens zwei Millionen Kinder bei Eltern leben, die gar nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu fördern. Weil sie von der Gesellschaft abgehängt wurden, alkoholkrank sind oder seit Generationen in sozialen Sicherungssystemen leben." Studien belegten, dass vor allem in sozial schwachen Familien Geld insbesondere für Computerspiele, Alkohol und Zigaretten ausgegeben werde. "Gutscheine und Sachleistungen können hier ein Schritt in die richtige Richtung sein", so Ehrmann.

Staatliche Bevormundung?

Kinder spielen vor Plattenbau-Siedlunng in Anklam (Foto: DW)
"Armutsprobleme nicht mit der Gießkanne lösen"Bild: DW

Doch die Gutschein-Idee hat bislang wenige Freunde. Viele Sozial- und Wohlfahrtsverbände und auch die meisten Parteien sprechen sich dagegen aus. Der Vorschlag sei ein "tiefer Griff in die Mottenkiste", kritisiert etwa Siegfried Stresing vom Deutschen Familienverband. "Ich würde es auch nicht akzeptieren, wenn mein Arbeitgeber sagen würde, einen Teil Deines Gehaltes wird in Form von Gutscheinen ausgezahlt, Du kannst zum Beispiel eine Rückenschule machen." Die Politik solle den Eltern nicht vorschreiben, was gut für ihre Kinder sei. Zwar gebe es tatsächlich Familien, in denen die staatliche Leistung nicht immer bei den Kindern ankomme. "Aber da müssen wir eben den Eltern helfen, richtig mit Geld umzugehen."

So sieht es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wenn man Familien nicht mehr zutrauen könne, dass sie mit Geld etwas Vernünftiges machten, dann sei das "etwas, das mit meinem Menschenbild nichts zu tun hat".

Autorin: Monika Dittrich

Redaktion: Kay-Alexander Scholz