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Bildung: Ein Meilenstein auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Wohlstand

Der ehemalige indonesische Staatspräsident Bacharuddin Jusuf Habibie zu Gast beim Deutsche Welle Global Media Forum 2012

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Titel: GMF12 Foto Bacharuddin Jusuf Habibie Schlagworte: Global Media Forum 2012, Bacharuddin Jusuf Habibie, 3rd President of Indonesia. Beschreibung: Portrait Bacharuddin Jusuf Habibie, 3rd President of Indonesia. Bildrechte: Verwertungsrechte nur im Rahmen des Global Media Forums.
Bild: Bacharuddin Jusuf Habibie

DW: Ihr Land Indonesien hat eine Kolonialgeschichte und eine Diktatur bewältigt, somit Unterdrückung kennengelernt, d. h. auch eine Ferne von Kultur und Bildung erlebt. Wie hat sich trotzdem eine geistige Identität entwickeln können?

JH: Im Moment zählt die Bevölkerung Indonesiens 247 Millionen Menschen. Wegen seiner Naturressourcen wurde das Land mehrmals langjährig kolonialisiert. Aufgrund des gemeinsamen Leidens als ein kolonialisiertes Volk haben die Menschen trotz ihrer Verschiedenheit als eine „Nation“ gegen die Kolonialherrschaft gekämpft, die Freiheit erlangt und letztendlich die Unabhängigkeit der Republik Indonesien proklamiert. Am 28. Oktober 1928 wurde die nationale Identität durch den so genannten „Schwur der Jugend - ein Land, ein Volk, eine Sprache“ als Ziel der Unabhängigkeit formuliert. Die Demokratisierung der pluralistischen Gesellschaft hat sich in einigen Jahrhunderten - trotz Störungen durch äußere Kräfte - in einem beschleunigten Evolutionsprozess vollzogen. Die Einheit der Sprache und Informationstechnologie spielte dabei eine entscheidende Rolle.

DW: Nach Ihrer aktiven politischen Laufbahn haben Sie das Habibie Center in Jakarta ins Leben gerufen, das sich für Menschrechte einsetzt. Eines seiner Ziele ist es u. a., Kindern und jungen Menschen Bildung und Ausbildung zu organisieren. Wie gehören aus Ihrer Sicht ein gutes Bildungssystem und demokratische Werte zusammen?

JH: In einer globalisierten Welt wird die Produktivität des Menschen in einer Gesellschaft maßgebend sein. Diese Produktivität ist von der positiven Synergie zwischen seiner Kultur, seiner Religion und seiner Fähigkeit abhängig, Wissenschaft und Technologie zu verstehen, zu entwickeln und anzuwenden. Dazu gehören Erziehung und Bildung, die sich nicht nur auf Kinder beschränken, sondern auch für deren Eltern entsprechend wichtig sind. Um das alles zu erreichen, muss der Mensch frei und unabhängig sein. Hier spielen sowohl die Menschenrechte, als auch die Menschenpflichten eine entscheidende Rolle. Demokratische Werte wie freie Wahlen und freie Meinungsäußerung, die Freiheit zu demonstrieren und politische Parteien zu bilden usw. müssen gewährleistet werden. Dies sind die Grundgedanken und Prinzipien, warum meine Frau, meine zwei Söhne und ich „The Habibie Center“ am 10. November 1999 gegründet haben.

DW: Was muss zukünftig geschehen, um Bildung auch als „Civic Education“ im Sinne von Demokratieerziehung als wesentlichen Bestandteil der Globalisierung zu integrieren, um zu einer „Globalisierung der Werte“ zu kommen?

JH: Die Menschen werden durch die Entwicklung der Informationstechnologie schneller und besser informiert. Es geht nicht mehr um Nationalismus, Religion, Glaube, Ideologie oder Pragmatismus, sondern um „Gerechtigkeit und Wohlstand“. Man muss umdenken. Verhalten und Werte von Menschen beeinflussen einander über das Internet oder globale Fernsehsendungen weit über alle Grenzen und dringen direkt in den Lebensraum der Familie. Denn neben einer guten Erziehung und einem guten Ausbildungssystem ist das Vorhandensein einer objektiven freien und verantwortungsvollen Presse sehr entscheidend und wichtig

DW: 2003 wurde in Indonesien gesetzlich festgelegt, dass 20 Prozent des nationalen Budgets in Bildung investiert werden soll. Dieses Ziel wurde im Jahr 2009 erstmals erreicht und macht sich in einer sinkenden Analphabetenrate und einem Anstieg der Schulgänger (mehr als 90 Prozent) bemerkbar. Welche Rolle spielen vor diesem Hintergrund die Medien im modernen Indonesien?

JH: Seit dem Anfang der Menschheit hat die Qualität von Information immer eine wichtige Rolle gespielt und so wird es bleiben. Die Technologie hat die Geschwindigkeit und mitunter auch die Qualität der Information gefördert. Jede Gesellschaft wird davon profitieren. Jeder Mensch, der bei der Entwicklung und Anwendung der Informationstechnologie beigetragen hat, wird davon seinen Nutzen haben und entsprechend von der Gesellschaft oder dem freien Markt belohnt. Eines ist sicher: meine Generation, der Jahrgang 1936, läuft aus, nichtsdestotrotz werde ich weiterhin in Rahmen meiner Möglichkeiten „für die Gerechtigkeit und den Wohlstand in Indonesien und der globalisierten Welt“ arbeiten.

Bacharuddin Jusuf Habibie (* 25. Juni 1936 in Pare-Pare auf Sulawesi, Indonesien) war von 1998 bis 1999 indonesischer Staatspräsident. Schon als Jugendlicher war er mit dem späteren Präsidenten Suharto bekannt. 1954 ging Habibie mit einem Stipendium nach Deutschland und studierte an der RWTH Aachen Luft- und Raumfahrttechnik mit Abschluss als Diplom-Ingenieur und promovierte 1965. Er kehrte 1974 nach Indonesien zurück und wurde 1978 von Suharto zum Staatsminister für Forschung und Technologie ernannt. 1998 stieg er zum Vizepräsidenten auf. Jusuf Habibie war im Anschluss an Suhartos Rücktritt am 21. Mai 1998 für kurze Zeit der dritte Präsident seit der Unabhängigkeit Indonesiens. Er verzichtete 1999 freiwillig auf eine erneute Kandidatur und gründete gemeinsam mit seinen Söhnen und seiner Ehefrau in Jakarta das „Habibie Center“.