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Bilder der Migration im öffentlichen Raum

Steffi Holz20. November 2008

Piktogramme sind die visuelle Sprache der globalisierten Welt. Die schlichten Bilder sind universell verständlich, ihre Botschaft ist anonym und sinnlich zugleich, denn sie können auch Emotionen vermitteln.

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Zerrissen zwischen zwei Welten: Migrantinnen in DeutschlandBild: dpa

Seit einigen Tagen sind im Kölner Stadtbild verschiedene Piktogramme zu sehen, die Gedanken und Gefühle von Migrantinnen sichtbar machen wollen. Was erleben sie in Köln? Fühlen sie sich Zuhause? Gehören sie dazu? Plakatwände auf der Straße, Werbeflächen in U-Bahnen und Gratispostkarten stellen diese Fragen und zeigen Bilder, die die Zerrissenheit und Verbundenheit zugleich spiegeln, in der viele Migrantinnen in Deutschland leben.

Hinter den Plakaten verbirgt sich das Projekt "Bundesmigrantinnen", gefördert von der Stadt Köln und dem Auswärtigen Amt. Wie die Piktogramme entstanden.

Bilder aus zwei Welten

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, davon ist Maria Figeró überzeugt. Die 50jährige sitzt mit anderen Peruanerinnen in einer Werkstatt an einem Tisch voller Buntstifte und Papiere. Alle zeichnen konzentriert an einfachen Figuren und Symbolen, die ihr Leben in Deutschland beschreiben. Die Frauen stellen sich zum Beispiel mit einem Spagat auf der Weltkugel dar, haben den Kopf voller Fragezeichen wenn sie mit deutschen Behörden zu tun haben oder malen ihre Kinder die alleine in der Schulhofecke stehen.

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Schlecht bezahlt, nicht integriert - das Schicksal vieler Migrantinnen in DeutschlandBild: AP

Maria Figeró lebt seit 5 Jahren in Deutschland. Die Mutter zweier Kinder, nimmt an einem Workshop teil, der von einer Gruppe Berliner Künstlerinnen angeleitet wird, die seit 2004 zum Thema Migration arbeiten: "migrantas" nennt sich das Kollektiv, in dem Künstlerinnen, Grafik-Designerinnen, Journalistinnen und Soziologinnen zusammenarbeiten.

Ein Dialog in Bildern

Das Kollektiv entwirft Bilder. Dieses Projekt heißt "Bundesmigrantinnen" und wurde im Herbst 2007 in Hamburg gestartet. Zur Zeit ist wird das Projekt in Köln fortgesetzt. Mit dabei ist die Argentinierin Alejandra López. "Wir sind neugierig zu erfahren, wie oder was Ausländerinnen hier in Köln fühlen. Und natürlich wollen wir in Zukunft mit unserem Projekt weiter ziehen in andere Städte, um auch dort las Lebensgefühl von Migrantinnen zu erforschen", sagt Alejandra López.

Die Zeichnungen aus den insgesamt 11 Workshops analysieren die "Migrantas" sorgfältig, um daraus Piktogramme zu entwerfen. Damit wollen sie sichtbar machen, was diejenigen denken und fühlen, die ihr eigenes Land verlassen haben und nun in einem neuen Land leben. Diese Idee reizte auch Sophia Georgallidis mitzumachen. Als Tochter von griechischen Gastarbeitern kam sie vor 37 Jahren nach Köln. Sie hat sich an dem Workshop beteiligt, weil sie darin eine Chance sah, "das Migrantinnendasein nicht nur für uns in der Gruppe zu bearbeiten, darüber zu sprechen und zu verarbeiten, sondern unsere Lebensrealität nach außen hin darzustellen." Das innovative Projekt habe sie gereizt. Und so wie sie, viele andere, erzählt Sopzia Georgallidis: "Die Frauen haben, glaube ich, aus den geheimsten Ecken ihres Herzens versucht, Gefühle zu zeichnen."

Das Gefühl, nicht dazu zu gehören

Den meisten Teilnehmerinnen fällt es schwer, mit Buntstiften etwas auf´s Papier zu bringen. Doch es kommt nicht auf perfekte Bilder an; Strichmännchen und Symbole reichen völlig aus. Denn die Frauen erklären ihre Bilder und tauschen sich intensiv über ihre Erfahrungen aus. So auch Maria Figeró: "Wir lateinamerikanischen Frauen haben versucht zu zeichnen, was für uns am schwierigsten war, beim Versuch sich zu integrieren. Einige von uns haben immer wieder die Erfahrung gemacht, wenn sie in die U-Bahn steigen, dass die Leute ängstlich ihre Taschen umklammern. Ohne Zweifel denken viele hier, dass Ausländer nur zum Stehlen nach Europa kommen", bedauert Maria Figeró.

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Migranten sind längst Teil der deutschen Gesellschaft. Aber nicht immer fühlen sie sich dazugehörig.Bild: AP

Bestimmte Themen tauchen in den Workshops immer wieder auf: Das Gefühl der Zerrissenheit zwischen der alten und der neuen Heimat, die Schwierigkeiten mit der neuen Sprache, die Sorge um die Zukunft der Kinder sind Themen, die Migrantinnen – egal woher sie kommen – bewegen.

Die Frauen wünschen sich die Anerkennung dieser Vielfalt. In einem der insgesamt drei Piktogramme, die seit kurzem im Kölner Stadtbild zu sehen sind, wird das besonders deutlich: Es zeigt drei gleich gekleidete Frauen. Die Figur in der Mitte trägt ein Kopftuch. Sie haben sich untergehakt und lächeln. Über ihren Köpfen steht in einer gemeinsamen Sprechblase das Wort "Abitur" mit einem Ausrufezeichen.

Bilder, die den Blick schärfen

Ein anderes Bild zeigt eine afrikanische Frau, deren Herz für ihre Stadt schlägt. Dass sie angekommen ist und dazu gehört, zeigt das Wort "Kölnerin". Im Hintergrund bilden die Kulisse des Kölner Doms, der Synagoge und der zukünftigen Moschee, um die sehr kontrovers diskutiert wurde, eine Einheit. In dieser einfachen Zeichnung steckt eine starke Botschaft, findet Sophia Gerogallidis. Sie verbindet mit damit die Hoffnung, "dass Fußgänger oder ein Betrachter oder jemand, der an der Haltestelle steht, mit so einem Plakat konfrontiert wird und sich Gedanken macht: Was stellt es dar? Das bringt schon die Menschen auf einfache Weise auf den Gedanken der Migration." Wer nicht gerade mit verschlossenen Augen durch die Welt gehe, der werde sich schon Gedanken machen, ist sich Sophia sicher.