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Fünf Jahre EU-Erweiterung

30. April 2009

Zehn neue Mitglieder auf einen Schlag: Von der Erweiterung am 1. Mai 2004 waren viele begeistert. Andere befürchteten, die neue Größe könnte die EU überfordern. Bernd Riegert kommentiert, wie es heute um die EU steht.

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Symbolbild Kommentar (Quelle: DW)
Bild: DW

Prognosen, die gleichzeitige Aufnahme von acht mitteleuropäischen Staaten und zwei Mittelmeerinseln im Mai 2004 werde Europa seine Stabilität kosten und die EU ins Chaos stürzen, sind nicht Wirklichkeit geworden: Fünf Jahre nach der großen Erweiterungsrunde, dem "Big Bang", und zwei Jahre nach der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens lässt sich im Gegenteil sagen, dass die Aufnahme der neuen Staaten sowohl für die Europäische Union als auch für die neuen Staaten selbst ein großer Erfolg war. Wirtschaftlich ging es bergauf, politisch sind die Staaten auf dem Weg zur vollen Integration in die EU. Ihr Selbstbewusstsein wächst und das ist gut so.

Populistische Strömungen in Polen, Regierungskrisen in Tschechien, Straßenschlachten in Ungarn, Proteste in Estland - all das gab es in den vergangenen fünf Jahren, aber das ist nicht verwunderlich. Denn jetzt, wo der äußere Druck gewichen ist, die Beitrittskriterien der EU erfüllen zu müssen, brechen innenpolitische Konflikte in den neuen Mitgliedstaaten stärker auf als zuvor. Das ist keine ungewöhnliche Entwicklung in den Transformationsgesellschaften, die die sowjetische Übermacht abgeschüttelt haben und jetzt westliche Demokratien formen. Diese Transformation wird durch die Einbettung in die EU in geordnete Bahnen gelenkt. Deshalb war die Mitgliedschaft in der Union auch ohne Alternative.

Große Herausforderung: die Wirtschaftskrise

Bernd Riegert (Foto: DW)
Bernd Riegert leitet die Europa-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Fünf Jahre nach dem "Big Bang" steht die Europäische Union vor ihrer größten Bewährungsprobe. Nicht das Gerangel um den Lissabon-Vertrag und auch nicht der vorzeitige Abgang der tschechischen Regierung während der Ratspräsidentschaft, sondern die tiefe Wirtschaftskrise und die daraus erwachsenden sozialen Folgen werden die EU bis zum Äußersten fordern. Die Fliehkräfte werden stärker werden, es wird sich zeigen, wie weit es um die Solidarität zwischen relativ reichen und relativ armen Staaten bestellt ist. Bislang soll allen Staaten, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, finanziell geholfen werden. Doch niemand kann im Moment vorhersagen, wie groß die Löcher noch werden und ob alle EU-Staaten vor dem Bankrott gerettet werden können. Wird, wenn es ums Geld geht, das nationale Interesse bei noch relativ gesunden Staaten wie Deutschland größer sein als das europäische Bewusstsein?

In den vergangenen fünf Jahren ist das Gewicht der EU in der Welt gewachsen. Die 500 Millionen EU-Bürger leben nicht nur in einem der größten zusammenhängenden Wirtschaftsräume, sondern die EU hat auch außenpolitisch ein schärferes Profil gewonnen. Die Nachbarn rund um die Union sind in eine neue politische Zusammenarbeit einbezogen worden.

Die EU braucht Reformen

Die Frage ist jetzt: Wie geht es weiter? Kroatien ist beitrittsreif. Mit der Türkei laufen zähe Verhandlungen. Mazedonien hat einen Aufnahmeantrag gestellt. Die übrigen Balkanstaaten werden nach und nach folgen. Die Mitgliedszahl 33 statt 27 ist in sechs, sieben oder acht Jahren durchaus vorstellbar. Die Erweiterung muss weitergehen, weil nur die EU-Mitgliedschaft dem Balkan die Aussicht auf dauerhafte Stabilität eröffnet. Der Reformprozess der EU muss aber parallel fortgesetzt werden, um die Union führbar zu halten. Vom möglichen Scheitern des Lissabon-Vertrages darf man sich nicht entmutigen lassen. Es wird einen anderen Vertrag, einen anderen Weg geben.

Hoffentlich hat die EU aber eine Lektion gelernt: Sie darf nicht erneut einen Konflikt importieren, der viele andere Probleme nach sich zieht. Die Rede ist von Zypern: Die geteilte Insel in die EU aufzunehmen, ohne dass der Konflikt zwischen griechischen und türkischen Zyprern gelöst wurde, war ein Fehler. Bei den Balkan-Staaten darf das nicht noch einmal passieren. Das Verhältnis zum Kosovo zum Beispiel muss geklärt sein, bevor Serbien aufgenommen wird. Bosnien-Herzegowina muss ein funktionierender Gesamtstaat sein, bevor das ethnisch zerrissene Land der EU beitreten kann. Und wenn die Balkan-Staaten aufgenommen werden, muss das in einem zweiten "Big Bang" erfolgen, damit die Staaten alte Rivalitäten untereinander nicht als Druckmittel einsetzen können. Es darf nicht sein, dass Kroatien als EU-Mitglied beispielsweise Zugeständnisse vom Bewerber Serbien fordern. Alle oder keiner.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn