DW-Intendant hält Kanzelrede in Wittenberg
11. Juni 2013
"Richtet nicht, damir ihr nicht gerichtet werdet!" – dieses Zitat aus dem Neuen Testament der Bibel ist für den Journalisten Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle, Maßstab für Toleranz und Meinungsfreiheit. "Das 'Prinzip Toleranz' sollte grundlegend sein für uns, die wir Brücken bauen wollen: zum Nachbarn, zu anderen Völkern und Kulturen, betonte er am vergangenen Sonntag (9.06,) in einem Grundsatzreferat zu Toleranz und Meinungsfreiheit. Beides umzusetzen, sei eine Herausforderung, der sich der deutschen Auslandssender bei seiner Arbeit täglich stellen müsse.
Über diese Werte zu sprechen auf derselben Kanzel, von der aus Martin Luthers Wort und die Reformation ihren Weg aus Wittenberg in die Welt genommen habe, bewege ihn, so Bettermann.
Mediales Vermitteln von Grundrechten
Bettermann schlug einen weiten thematischen Bogen von Luther zur Aufklärung und dann hin zu unserem heutigen Demokratieverständnis. Mit einem Exkurs in die Philosophie, die seit Anbeginn nach Prinzipen sucht, benannte Bettermann das Prinzip Toleranz. Er verwies auf Grundregeln, die sich nicht außer Kraft setzen lassen, auf Verabredungen, die als Richtschnur für alle in unserer Gesellschaft gelten. Das sind für Bettermann Grundrechte wie sie im deutschen Grundgesetz festgelegt sind sowie die Menschenrechte, die unteilbar sind. Diese Werte zu vermitteln, sei auch eine der wichtigsten Aufgaben der Deutschen Welle - aber nicht im Sinne eines Missionsverständnisses vergangener Jahrhunderte, sondern im Werben auf Augenhöhe: "Wir wollen nicht zwingen, wir wollen überzeugen: Durch das Wort - ganz im lutherischen Sinne -, durch die Tat, durch das Vorbild.“ Ohne das Prinzip Toleranz könne sich die DW nicht weltweit für Meinungsfreiheit einsetzen, so ihr Intendant.
Entscheidende Frage
Wo endet das "Prinzip Toleranz"?, fragte Bettermann. Hat sie Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen? Selbstverständlich sei “Null-Toleranz“ gegenüber Neonazis, Terroristen oder Rassisten unumstößliches Gebot. Aber oft genug sei die Trennungslinie nicht klar gezogen. Daher sei jeder Einzelne mit seiner ethischen Verantwortung gefragt. Gleichwohl, so Bettermann: “Es wird nie eine totale, weltumspannende Ethik geben. Aber es gibt Grundprinzipien. Und das Toleranzprinzip gehört dazu!“
Namhafte Kanzel-Redner
Mit seiner Kanzelrede zu Meinungsfreiheit und Toleranz steht DW-Intendant Erik Bettermann in einer Reihe interessanter Persönlichkeiten. Schon seit 2003 lädt der Pfarrer der Stadtkirche namhafte Vertreter aus Kirche und Gesellschaft, Kunst und Kultur, aus Wissenschaft und Politik auf die Kanzel Luthers ein. Dazu gehörten die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth oder der Filmemacher Wim Wenders. Erik Bettermann sprach im Rahmen der Themenreihe zur Lutherdekade. Das Jahr 2013 hat das Motto "Reformation und Toleranz". Seit 2008 bereiten sich evangelische Christen auf das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017 vor und wollen auf vielfältige Weise Anregungen für Kirche und Gesellschaft geben.