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Kein Recht auf Mitleid

Karl Zawadzky18. Februar 2008

Hunderte vermögende Deutsche erhalten in diesen Tagen unerbetenen Besuch von Polizei und Staatsanwalt. Es geht um Steuerhinterziehung. Karl Zawadzky kommentiert.

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Eines ist klar: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Da gibt es in Deutschland keine Ausnahme. Das gilt auch für die Spitzen von Wirtschaft und Gesellschaft, auch wenn gerade in den oberen Einkommensetagen einige anderer Meinung sind. Wer millionenhohe Gehälter oder Gewinne einstreicht, kann nicht selbst darüber entscheiden, ob er sein Einkommen voll oder nur zum Teil versteuert. Nicht wenige haben aber geglaubt, das stehe in ihrer Macht. Sie machen derzeit die für sie schmerzhafte Erfahrung, dass sie sich geirrt haben. Klaus Zumwinkel, der langjährige Vorstandschef der Deutschen Post, war mit seiner Geldanlage im Steuerparadies Liechtenstein kein Einzelfall. Rund 1000 vermögende Deutsche haben dort bei der fürstlichen Bank oder über Strohmänner ebenfalls Geld mit dem Vorhaben angelegt, den Zinsertrag vor dem heimischen Finanzamt zu verheimlichen und sich damit ihrer Steuerpflicht zu entziehen.

Die Staatsanwaltschaft hat am Montag (18.02.2008) mit Durchsuchungen in den Großräumen München und Frankfurt am Main mit der Aufklärung begonnen. Das ist nur zu begrüßen, wenn auch die der Aktion zugrunde liegende Information vom Bundesnachrichtendienst auf fragwürdige Weise, nämlich mit einem Betrag zwischen vier und fünf Millionen Euro von einem Kriminellen gekauft worden ist.

Kein Anspruch auf Mitleid

Mit Recht schlägt der Skandal in Deutschland große Wellen. Denn zum Beispiel Inhabern oder Spitzenmanagern von Unternehmen kommt, ob sie das wollen oder nicht, eine Vorbildfunktion zu. Einzelne vom Spitzenpersonal werden dieser Rolle leider nicht gerecht, was bei einem zunehmenden Teil der Gesellschaft erhebliche Zweifel an der sozialen Marktwirtschaft schürt. Denn was ist davon zu halten, dass die Besserverdienenden selbst in wirtschaftlich schwierigen Jahren ihre eigenen Einkommen in teilweise obszöner Weise steigern und der großen Mehrheit der Gesellschaft Bescheidenheit predigen?

Ja, der Steuerskandal hat durchaus einen moralischen Aspekt, nämlich die Bestätigung, dass es gerade bei einem Teil der Vermögenden sowie Beziehern großer Einkommen mit der Steuermoral nicht weit her ist. Insofern können jene, die in diesen Tagen zur Rechenschaft gezogen werden, auch nicht auf Mitleid spekulieren. Ganz ohne Ethik kommt eine freie Gesellschaft nicht aus. Im Gegenteil: Soll die soziale Marktwirtschaft nicht zum Raubtierkapitalismus verkommen, müssen die Regeln eingehalten werden. Das gilt auch für das Steuerrecht. Da müssen nicht die Strafen verschärft werden, wie das vorschnell und populistisch von Teilen der Politik gefordert wird, sondern es müssen die bestehenden Regeln – und dazu gehören auch Strafen – konsequent angewandt werden. Immerhin gibt es für besonders schwere Fälle zehn Jahre Freiheitsentzug. Dabei ist ein Steuerdelikt, auch ein schweres, nicht mit Mord oder Totschlag zu verwechseln.

Folge des hohen Steuersatzes

Wie immer in solchen Fällen ist auch eine Menge Heuchelei dabei. Zum Beispiel fällt bei weniger hohen Steuersätzen als in Deutschland die Einhaltung der Regeln leichter. Denn es fällt ja auf, dass so viele Deutsche – ob legal oder illegal – mit ihrem Geld in andere Länder umsiedeln und nichts davon zu hören ist, dass Steuerflüchtlinge anderer Länder mit ihrem Geld nach Deutschland kommen. Letzteres scheint wenig lohnenswert zu sein. Die hohen Steuersätze hier zu Lande sind mitverantwortlich dafür, dass Steuerhinterziehung zum Volkssport geworden ist. Der Umsatz der Schwarzarbeit wird auf 250 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Dagegen sind die insgesamt 3,5 Milliarden Euro, die Deutsche in Liechtenstein haben, ein kleiner Betrag.

Aber immerhin darf gehofft werden, dass der gegenwärtige Skandal reinigende Wirkung hat. Denn wer noch halbwegs bei Verstande ist, der offenbart sich schnellstens dem Finanzamt und macht reinen Tisch. Das vorrangige Interesse des Staates gilt nämlich nicht der Bestrafung der Übeltäter, sondern deren Geld. Wer also die hinterzogenen Steuern deklariert und sie plus Zinsen zahlt, der geht straffrei aus. Und da Diskretion gesichert ist, weil auch für solche Fälle das Steuergeheimnis gilt, ist weder der Ruf noch der Job in Gefahr. Wenn jedoch Steuerhinterziehung so kriminell ist, wie jetzt getan wird, dann stellt sich die Frage, warum sich der Staat mit dem Geld begnügt und auf die Strafe verzichtet.