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"Beteuerungen und Behauptungen"

13. Januar 2004

US-Präsident George W. Bush soll schon vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einen Irakkrieg geplant haben, behauptet nicht nur ein ehemaliger Vertrauter. Doch die Vorwürfe stören niemanden.

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Bilder aus vergangenen Tagen: UN-Waffenkontrolleure bei der ArbeitBild: AP

"Von Anfang an bestand die Überzeugung, dass Saddam Hussein eine üble Figur war und dass er weg musste", sagte Bushs ehemaliger Finanzminister Paul O'Neill in einem Interview des Fernsehsenders CBS, das am Sonntagabend (11.1.2004) ausgestrahlt wurde. Dokumenten zufolge, die O'Neill präsentierte, prüfte die US-Regierung schon im Frühjahr 2001 Möglichkeiten, Saddam Hussein zu stürzen.

Im Kabinett habe damals niemand danach gefragt, warum die USA überhaupt in Irak einmarschieren sollten, so O'Neill. Es sei immer nur darum gegangen, einen Weg dafür zu finden. Eine als geheim qualifizierte Akte trägt den Titel "Pläne für ein Nach-Saddam-Irak". All das hat O'Neill an den Autor Ron Suskind weitergegeben, der jetzt ein Buch mit dem Titel "The Price of Loyalty" (Der Preis der Loyalität) veröffentlicht hat.

Keine Reaktion - oder doch?!

"Lächerlich", nannte ein Beamter des Weißen Hauses die Behauptungen. "Niemand hat je auf Paul O'Neill gehört, als er im Amt war. Warum sollte man jetzt auf ihn hören?", sagte er der "Washington Post". Der Finanzminister sei nicht "in der Position gewesen, um auf dem Laufenden gehalten zu werden". Aber: Irgendetwas muss dran sein an O'Neills Vorwürfen: Warum sonst will das US-Finanzministerium offizielle Ermittlungen wegen des Verdachts einleiten, O'Neill habe gegen die Vorschriften verstoßen und eines oder mehrere Geheimdokumente veröffentlicht?

Bush-Sprecher Scott McClellan wollte die Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren. Er verwies aber darauf, dass Washington das Konzept des Regimewechsels im Irak bereits seit 1998 und damit in der Zeit von Bush-Vorgänger Bill Clinton propagierte. Nach Angaben von Buchautor Suskind zirkulierten in der Regierung schon in den ersten drei Monaten der Amtszeit von Bush jr. Pläne für eine Invasion des Irak, für eine Nachkriegsära und Vorstellungen über die Zukunft des irakischen Öls. Er habe entsprechende Unterlagen von O'Neill und anderen Insidern aus dem Weißen Haus erhalten, sagte Suskind dem Sender CBS.

Aber das lockt in den USA niemanden hinter dem Ofen vor: Selbst das einige Tage alte Eingeständnis von Außenminister Colin Powell, es gäbe keine Beweise für eine Verbindung Saddam Husseins zu der Terrororganisation El Kaida und Osama bin Laden, wurde ohne große Aufregung hingenommen. Gleiches gilt für den stillen Abzug der ersten 400 US-Waffenkontrolleure aus dem Irak. O'Neill hat nach eigenen Angaben keine Belege für die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen zu sehen bekommen. Es habe zwar "Beteuerungen und Behauptungen" gegeben, "aber ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, und ich kenne den Unterschied zwischen einem Beweis und Behauptungen oder Illusionen oder Schlussfolgerungen, die man aus einem Bündel von Annahmen ziehen kann", sagte O'Neill dem US-Wochenmagazin "Time".

Wo sind die Massenvernichtungswaffen?

Der britische Premierminister Tony Blair hält es für möglich, dass die vermuteten Massenvernichtungswaffen des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein niemals entdeckt werden. In einem BBC-Interview betonte Blair am Sonntag (11.1.) erneut, es sei auf Grund von Geheimdienstinformationen richtig gewesen, in den Irak einzumarschieren. Aber die Waffen seien nicht dort gewesen, wo das Militär sie vermutet habe und sie würden vielleicht niemals gefunden. Allerdings glaube er nach wie vor an die Existenz der Massenvernichtungswaffen. Dänische Soldaten haben unterdessen nahe der südirakischen Stadt Basra mehrere Dutzend vergrabene Granaten gefunden, die nach ersten Untersuchungen Giftgas enthalten.

US-Militärsprecher General Mark Kimmitt bestätigte am Samstagabend (11.1.) in Bagdad entsprechende Angaben aus Kopenhagen und erklärte, es handele sich um 40 bis 50 120-Millimeter- Granaten, von denen einige leck waren und eine Flüssigkeit enthielten. Wie ein Sprecher des dänischen Heereskommandos im dänischen TV-Sender DR1 mitteilte lagen die Granaten den Röntgenanalysen zufolge seit mindestens zehn Jahren unter der Erde. Es galt als wahrscheinlich, dass die Granaten aus dem iranisch-irakischen Krieg in den 1980er Jahren stammen. (arn)