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Bestechlichkeit aus Not?

31. Juli 2003

Polnische Zollbeamte klagen über ein zu niedriges Einkommen und ... kassieren Schmiergelder

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Warschau, 31.07. TRYBUNA, poln.

Polen wird von einem Strom unverzollter Zigaretten und Wodka überflutet. Die Korruption der Beamten an der Grenze ist für die Schmuggler von großem Vorteil. Das Ausmaß dieses Problems ist so groß, dass sich die Leitung der Zollbehörde mit außergewöhnlichen Mitteln aushelfen musste. Die Annahme von Schmiergeldern soll mit schärferen Disziplinarstrafen geahndet werden. Dazu gehört z.B. eine firstlose Kündigung von bestechlichen Beamten, und zwar ohne das Gerichturteil abzuwarten. Die unehrlichen Zollbeamten sollen auch von der Agentur für Innere Sicherheit beobachtet werden.

Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille: Die Zollbeamten beklagen ihre niedrigen Gehälter, was sie dazu zwingt, sich ein Zubrot zu verdienen. Die Stimmung unter den Zollbeamten ist nicht besonders gut, weil sie fürchten, dass nach dem Beitritt Polens zur EU jeder Zweite von ihnen seine Arbeit verlieren wird.

Gestern begann eine Gerichtsverhandlung vor dem Bezirksgericht in Bartoszyce, bei dem 13 Zollbeamte angeklagt wurden. Ihnen wird vorgeworfen, Schmiergeld dafür kassiert zu haben, dass sie ein Auge beim Schmuggel von Alkohol und Zigaretten zudrückten. Mit ihnen wurden auch drei Schmuggler angeklagt, die diese Schmiergelder bezahlten.

Die Verhaftung der Beamten hat jedoch den Schmuggel an diesem Grenzübergang nicht beendet. In der letzten Woche wurden drei Zollbeamtinnen ertappt, die Geschenke in bar kassierten, weil sie die Einfuhr von Zigaretten und Wodka nach Polen geduldet haben.

An der Korruptionsaffäre an dem Grenzübergang Bezledy sind bereits 30 Personen beteiligt. Der Pressesprecher des Zollamtes in Olsztyn (Alleinstein) war über die Verhaftung der Zollbeamten nicht überrascht, weil die Staatsanwaltschaft dies schon seit langem angekündigt hatte. Er war nur darüber verwundert, dass es sich dabei um Personen handelte, die nach Meinung ihrer Vorgesetzten außer jedem Verdacht standen. Für das Durchlassen eines Transportes mit Schmuggelware kassierten sie von 50 bis 400 Zloty (etwa 12 Euro bis 100 Euro).

Die Schmuggler kommentieren: " Es ist heiß geworden und man wird einige Wochen abwarten müssen. Sie behaupten, dass jeder von ihnen an der Grenze einen "eigenen" Beamten habe und wenn sich die Lage beruhige, würden wieder Unmengen von Zigaretten und Wodka durch die Grenze fließen. Es sei allerdings nicht bekannt, ob dies weiterhin an dem Grenzübergang Bezledy stattfinden werde.

Manche der Zollbeamten behaupten, dass es sich nicht lohnt, die Kleinschmuggler dingfest zu machen. Es ist bequemer, Schmiergelder zu kassieren. Man kann dadurch etwa 2 000 Zloty (ca. 500 Euro) im Monat zusätzlich verdienen. (...)

Das ist aber nur eine der Korruptionsaffären, an denen sich die Zollbeamten beteiligen. Innerhalb einiger Monate wurden von der Agentur für Innere Sicherheit mit Hilfe des Zollamtes über 40 Personen festgenommen, die in Zentralpolen arbeiteten. Allen diesen Personen wurde Korruption und Zollverbrechen vorgeworfen. Die Anklage gegen die erste Gruppe der Verdächtigen wurde bereits beim Gericht eingereicht und jetzt wartet man auf den Prozess.

Aus den Angaben der Agentur für Innere Sicherheit geht hervor, dass die Zollbeamten und die Verbrechergruppen eigenartige Gesellschaften gegründet haben, in denen das Schmiergeld z.B. nach dem Rang, dem Dienstalter des Zollbeamten und nach der Art der durchgeführten Kontrollen verteilt wurde. Auf diese Weise wurde ein zweites Einkommen erarbeitet. Die Verluste der Staatskasse wurden auf mindestens zehn Millionen Zloty (etwa 2,5 Millionen Euro) geschätzt.

Es wurde vor allem der Wert und die Menge der Ware gemindert, und zwar vor allem in Bezug auf die aus den Fernen Osten importierten Textilien. Diese Ware wurde dann auf dem Markt billig angeboten und dadurch wurden nicht nur die Einnahmen des Staates gemindert, sondern auch die der Unternehmer, die ähnliche Produkte in Polen herstellen.

Die Einführung des Gesetzes über die Zollbehörden im Jahre 1999 hatte eine Senkung des realen Einkommens der Zollbeamten zur Folge. Unter anderem deswegen, weil das nationale Entgeltungssystem außer Kraft gesetzt wurde, das von dem ehemaligen Leiter des Hauptzollamtes eingeführt wurde. Die einzigen Erfolgsprämien, die übrig blieben, sind mit den Auszahlungen nach bereits beendeten Strafprozessen verbunden. Aber auch dieses Geld wurde eingeschränkt und zwar augrund der größeren Abschreibungen, die dem Staatsbudget zugute kommen.

"All dies führte dazu, dass die Kollegen um die Hälfte weniger verdienen", sagt uns ein Leiter der Zollbehörde auf einem der Grenzübergänge, der anonym bleiben möchte und verbirgt nicht, dass "die Einführung solcher Lösungen einfach korruptionsfördernd ist".

"Noch vor fünf oder sechs Jahren bekamen wir Erfolgsprämien in Höhe von 30 000 Zloty (etwa 7 500 Euro), wenn wir eine große Sache ans Licht brachten. Jetzt wurden diese Prämien auf sieben bis acht Prozent des Sachwertes reduziert und man muss Jahre auf die Auszahlung warten, bis die Gerichtsverhandlung beendet ist", erzählt ein anderer Zollbeamter.

"Das Motivationszahlungssystem funktioniert nicht", bestätigt Andrzej Gajda, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Angestellten bei der Zollverwaltung. Seiner Meinung nach ist dieses aber nicht der Grund für die Korruption, sondern ruft Konflikte zwischen Kollegen hervor.

"Ich stimme dem nicht zu, dass der Grund, Schmiergelder zu kassieren, mit niedrigen Gehältern erklärt werden kann. Ein Zollbeamter verdient durchschnittlich etwa 3 200 Zloty (etwa 800 Euro) brutto. Angesicht der hohen Arbeitslosigkeit ist dieser Gehalt sehr konkurrenzfähig. Die Personen, die kassieren, finden immer eine Entschuldigung für sich. Aus diesem Grunde und angesichts einer Situation, in der man jede Woche über eine Affäre lesen kann, bleibt nicht anderes übrig, als die Korruption noch stärker zu bekämpfen", sagte gegenüber der Zeitung Trybuna Robert Kwasniak, Untersekretär im Finanzministerium und Leiter der Zollbehörde.

Die Agentur für Innere Sicherheit wurde gebeten, Hilfe bei der Korruptionsbekämpfung unter den Zollbeamten zu leisten. "Die Aktivitäten, die seit Anfang des Jahres mit der Agentur für Innere Sicherheit gemeinsam durchgeführt wurden, haben sich als sehr wirksam erwiesen. Die Zahl der Strafverfahren gegen korrumpierte Zollbeamte ist um 200 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Wir werden uns aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen", sagt Robert Kwasniak. (Sta)