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Über Gott und die Menschen

5. Oktober 2010

Obwohl sich die Ausstellung nur auf drei Räume verteilt, vermitteln die 300 Exponate aus Museen und Bibliotheken aus aller Welt einen tiefen, oft originellen und manchmal skurrilen Eindruck in die Welt der Religionen.

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Das Plakat zur Ausstellung "Kraftwerk Religion" (Foto: Hygiene-Museum Dresden)
Bild: Hygiene-Museum Dresden

Zu den originellen Exponaten, die den "Eintritt in eine Religionsgemeinschaft" markieren, gehören das Taufkleid von Thomas Mann, eine Beschneidungswindel eines jüdischen Jungen oder die Taufschale von Friedrich Nietzsche. Petra Lutz, Kuratorin der Ausstellung im Dresdner Hygiene-Museum, erhebt nicht den Anspruch, umfassend über die Religionen informieren zu wollen, sondern setzt auf interessante Schlaglichter. Etwa mit einer arabischen Spielzeugpuppe beim Thema Islam: die ist nicht blond, sondern mit Kopftuch, nicht sexy, sondern verhüllt. Fulla heißt die Puppe, die in ihren Proportionen durchaus aussieht wie eine Barbie-Puppe. "Diese Fulla ist sehr verbreitet in muslimischen Ländern, wo Barbies eher nicht so angesagt sind", erläutert die Kuratorin. Die Fulla-Puppe steht als Beispiel dafür, dass Kinder allein durch ihr Spielzeug bestimmte Rollenbilder vermittelt bekommen.

Kruzifixe als Müll der Postmoderne?

Das Taufkleid von Thomas Mann (Foto: Hygiene-Museum Dresden)
Thomas Manns TaufkleidBild: Hygiene-Museum Dresden

In der Nähe von Fulla kommt der Besucher in einen Bereich, der sich dem Heiligen widmet. "Was macht man eigentlich mit heiligen Dingen, die man nicht mehr braucht?" fragt Petra Lutz und zeigt auf zahlreiche Kruzifixe auf einem Podest. Viele Menschen, die die Kruzifixe von ihren Eltern oder Großeltern geerbt haben, können mit dieser Form der Frömmigkeit nichts mehr anfangen. Wegwerfen? Das gehe meist nicht, weil die säkularisierten Erben religiöse Skrupel befallen. Also gibt man sie in Museen ab. Kruzifixe als religiöse Ausschussware der Postmoderne.

Konflikte um jüdische Scheidungen

Sparkamel der National Bank of Kuwait. Ein muslimisches Kind würde nie ein ‚unreines’ Sparschwein benutzen. (Foto: Hygiene-Museum Dresden)
Muslimisches "Sparkamel"Bild: Hygiene-Museum Dresden

Die Ausstellung beleuchtet auch aktuelle Konflikte wie den um das Kruzifix in der Schule oder die Frage, ob muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen. In kurzen Videoeinspielungen kann man kontroverse Statements hören etwa zu der Frage, ob man einen Partner heiraten würde, der einer anderen Religion angehört. "Ich glaube schon, dass ich das könnte, aber es wäre schwer," meinte eine Frau mit asiatischen Wurzeln. "Ich persönlich hätte ein Problem, wenn man von mir eine kirchliche Heirat verlangen würde," sagt eine andere und eine Jugendliche schüttelt den Kopf: "Das geht gar nicht. Es gibt schon genug Stress zwischen Mann und Frau, da brauche ich das nicht noch in der Weltanschauung."

In einem anderen Teil der Ausstellung, die neben den Exponaten und Texten stark mit Videos und Audioinfos arbeitet, geht es um religiöse Streitthemen wie das Kondom in der katholischen Kirche, die Selbstmordattentate im Islam oder das Scheidungsrecht im orthodoxen Judentum: Hier können sich orthodox verheiratete Frauen gegen den Willen des Mannes nicht scheiden lassen, weil sie von ihm einen Scheidungsbrief benötigen. In Israel, wo es kein säkulares Scheidungsrecht gibt, ist das noch heute so.

Wahre Liebe?

Die mexikanische Meeresgöttin Yemanja. Durch den Sklavenhandel wanderte sie im 16. Jahrhundert von Westafrika nach Lateinamerika. (Foto: Hygiene-Museum Dresden)
Die Meeresgöttin YemanjaBild: Hygiene-Museum Dresden

Beim Thema Tod und Sterben war die Qual der Auswahl besonders schwer, meint Kuratorin Petra Lutz. Unter anderem hat man sich für ein Flugblatt vom Februar 1546 entschieden, das über den Tod des Reformators Martin Luther informierte. Darauf wurde kurz nach seinem Tod mitgeteilt, dass Luther glücklich gestorben sei. "Das war von ganz zentraler Bedeutung, dass er nicht in letzter Minute vom Teufel geholt wurde oder in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrt ist", erläutert die Kuratorin.

Im letzten Ausstellungsraum stößt man auf heilige Offenbarungen und spielerisch an die Wand geworfene Sinnfragen: Was kommt nach dem Leben? Dürfen wir alles, was wir können? Soll ich alles verschenken? Wie kommt das Böse in die Welt? Was ist das Wichtigste im Leben? Was darf ich hoffen? Ist Gott gut oder allmächtig? Gibt es die einzig wahre Liebe?

Klaus Vogel, der Direktor des Deutschen Hygiene-Museum, verbindet mit der Ausstellung "Kraftwerk Religion" vor allem zwei Hoffnungen: Einerseits will er mehr Gelassenheit in Sachen Religion erzeugen bei denen, die die Ausstellung gesehen haben. "Das andere ist so einfach und doch so schwer: Wir hoffen, dass wir zeigen können, dass Religion tatsächlich ein Bestandteil in der Moderne ist hier und heute."

Autor: Michael Hollenbach
Redaktion: Klaus Gehrke