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Beschleunigtes Wachstum?

18. Dezember 2009

Wenn eine Regierung die Steuern senkt, dann ist ihr normalerweise Beifall von allen Seiten sicher. Union und FDP haben mit ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz das Gegenteil erreicht. Die Kritik: zu teuer und nutzlos.

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Mit den Steuerentlastungen soll die Konjunktur wieder in Schwung kommen.Bild: AP

Es ist das erste Steuersenkungspaket der noch jungen Koalition aus CDU/CSU und FDP. Mit ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz folgen die Politiker der Annahme, dass Bürger und Unternehmen in der Krise finanziell entlastet werden müssen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Pressekonferenz Koalitionsvertrag 2009
In der Regierungskoalition setzen sich vor allem FDP und CSU für Steuersenkungen ein.Bild: AP

Doch dafür müssen Bund, Länder und Gemeinden einen hohen Preis zahlen und auf jährlich rund 8,5 Milliarden Euro Einnahmen verzichten. Wie passt das zu den klammen Staatskassen? 2010 muss sich der Bund mit absehbar rund 100 Milliarden Euro zusätzlich verschulden. Für Steuergeschenke bleibe da kein Raum, sagen die Kritiker, zu denen unter anderem die Bundesbank, der Bundesrechnungshof und der Sachverständigenrat gehören. Sie befürchten, dass das neue Gesetz nicht das Wachstum, sondern die Verschuldung beschleunigen wird.

Eltern, Unternehmen und Erben profitieren

Den größten Anteil an der Steuerentlastung werden mit 4,6 Milliarden Euro Familien haben. Ihr Einkommen wird erhöht, indem der jährliche Kinderfreibetrag von 6024 auf 7008 Euro angehoben wird, das heißt, dieser Betrag wird nicht besteuert. Das monatliche Kindergeld wird um jeweils 20 Euro erhöht - also auf 184 für das erste und zweite Kind, auf 190 Euro für das dritte Kind und auf je 215 Euro für das vierte sowie jedes weitere Kind. Experten sprechen von einer sozialpolitischen Komponente und bezweifeln, dass die Familien das zusätzliche Einkommen in den Konsum stecken und damit die Binnenkonjunktur ankurbeln werden.

Eine Hand mit einem Stempel, auf dem Finanzamt steht, darunter ein Steuerformular (oto: picture-alliance/dpa)
Auch Unternehmen müssen ab 2010 weniger Steuern zahlenBild: picture-alliance/dpa

Mit knapp 2,4 Milliarden Euro werden Unternehmen entlastet, indem die 2008 verabschiedete Unternehmenssteuerreform korrigiert wird. So wird unter anderem die sogenannte "Zinsschranke“ gelockert, das heißt, Unternehmen können Aufwendungen für Zinszahlungen ab 2010 dauerhaft besser steuerlich geltend machen. Mit der Einführung der Zinsschranke sollte unterbunden werden, dass Konzerne, die in Deutschland Gewinne verbuchen, diese auf Tochtergesellschaften im Ausland verlagern, um in Deutschland weniger oder keine Steuern zu zahlen. Doch die Regelung traf auch viele kleine und mittlere Unternehmen, die Kritik aus der Wirtschaft war groß. Außerdem soll die Möglichkeit für Firmen vereinfacht werden, Verluste steuermindernd geltend zu machen. Bei der Gewerbesteuer sollen die Aufwendungen für Mieten, Pachten und Leasingraten künftig weniger stark berücksichtigt werden.

Infografik Wachstumsbeschleunigungsgesetz (Deutsch DW-Grafik)

Freuen können sich auch Geschwister, Nichten und Neffen. Sie mussten im Erbfall bislang 30 bis 50 Prozent Steuern zahlen. Ab 2010 soll es einen neuen Stufentarif geben. Bei Erbschaften ab 75.000 Euro gilt zukünftig ein Steuersatz von 15 Prozent, der neue Höchstsatz von 43 Prozent greift erst bei Erbschaften ab 26 Millionen Euro. Auch für die Erben von Familienbetrieben gibt es Erleichterungen. Nicht mehr sieben, sondern nur fünf Jahre lang müssen die Arbeitsplätze erhalten bleiben, um in den Genuss einer Steuerbefreiung zu kommen. Verringert wurde auch die Anforderung an die Summe der gezahlten Löhne nach diesen fünf Jahren.

Streitpunkt Mehrwertsteuer

Blick über den Nordteil des Königssees mit der Insel Christlieger (M) auf den Ort Königssee im Berchtesgadener Land(Foto: dpa)
Bayern will mit der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen den Tourismus ankurbelnBild: dpa

Eine knappe Milliarde Euro lässt sich der Staat die Senkung der Mehrwertsteuer für Übernachtungen im Hotel- und Gaststättengewerbe kosten. Hier soll künftig der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent statt der bisher üblichen 19 Prozent gelten. Die Steuererleichterung für Beherbergungen erregt die Gemüter am meisten. Hier würden Lobbyinteressen bedient und neue Subventionen gewährt. Vor allem die von der CSU geführte bayerische Landesregierung drängte auf den Steuerrabatt. Ob die Hotels die Ersparnis an ihre Gäste weitergeben werden, kann niemand sagen.

Einen dreistelligen Millionenbetrag wird der Erhalt des Steuervorteils für reine Biokraftstoffe kosten. Die Erleichterung wird in den Jahren 2009 bis 2011 fortgeschrieben.

Bundesländer zogen lange nicht mit

Bundesrat Kanzlerin Merkel Ministerpäsident Carstensen
Forderte von der Bundesregierung einen Ausgleich für Steuerausfälle: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.Bild: AP

Monatelang hatten die Bundesländer, allen voran das Land Schleswig-Holstein, damit gedroht, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern. Die Länder sehen sich angesichts der im Grundgesetz seit kurzem verankerten Schuldenbremse gezwungen, ihre Haushalte zu sanieren. Zusätzliche Belastungen seien nicht hinnehmbar. Erst kurz vor der Abstimmung im Bundesrat am Freitag lenkten die Länder Schleswig-Holstein und Sachsen ein, nachdem der Bund ihnen im Gegenzug Milliardenhilfen bei den zusätzlich anstehenden Bildungsausgaben zugesagt hatte.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Ulrike Quast / Frank Wörner