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Bescheidene Bilanz

Claudia Witte, Genf1. Februar 2014

Greifbare Ergebnisse? Fehlanzeige. Immerhin: Die Syriengespräche in Genf sollen bald weitergehen. "Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt", so der syrische Oppositionsführer Jarba.

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Ahmad Jarba (Foto: Reuters)
Ahmad JarbaBild: Reuters

Von einem beeindruckenden Tross von Außenministern aus aller Welt waren sie am 22. Januar in Montreux an den Start geschickt worden, um über Krieg und Frieden in Syrien zu reden und mögliche Wege zu einer politischen Lösung des Konflikts auszuloten. Nach achttägigen Gesprächen in Genf sind die Vertreter der syrischen Opposition und der Assad-Regierung jetzt ergebnislos auseinandergegangen. Die Erfolgsbilanz des Treffens ist - gemessen am fulminanten Auftakt - äußerst bescheiden und lässt sich einfach zusammenfassen: Beide Delegationen sind bis zum Schluss geblieben. Und wahrscheinlich werden beide Gruppen nach einer einwöchigen Gesprächspause in den Verhandlungssaal in Genf zurückkehren.

Angespannte Stimmung und "sehr sehr starke Worte"

Trotzdem ist Lakhdar Brahimi, der Syrien-Sondergesandte der Vereinten Nationen, nicht unzufrieden. Hier sei ein Anfang gemacht worden, auf den man aufbauen könne, sagte er zum Abschluss der Verhandlungen: "Es war ein schwieriger Start, aber beide Seiten haben sich jetzt daran gewöhnt, gemeinsam in einem Raum zu sitzen. Sie haben ihre Positionen dargelegt und einander zugehört. Es hat sogar Momente gegeben, in denen die eine Seite die Sorgen und Standpunkte der anderen Seite anerkannt hat."

Was genau sich in der vergangenen Woche in Verhandlungsraum XVI, einem schummrigen und abgelegenen Saal im alten Völkerbundpalast in Genf zugetragen hat, darüber schweigen die Anwesenden nach außen. Die beiden Delegationen kamen jeweils über getrennte Eingänge, vermieden gemeinsame Fotos und kommunizierten nur indirekt über den Vermittler Brahimi. Es habe sehr "angespannte" Momente gegeben, verrät Lakhdar Brahimi. Beide Seiten hätten erst ordentlich Dampf ablassen müssen, bevor sie es gemeinsam in einem Raum aushielten: "Ich denke es war nötig, den beiden Seiten Gelegenheit zu geben, ihre Gefühle, Hoffnungen und Ängste zu äußern, auch wenn das zum Teil in sehr sehr starken Worten geschah."

Lakhdar Brahimi (Foto: Reuters)
Lakhdar BrahimiBild: Reuters/Denis Balibouse

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Auch wenn sie nicht direkt miteinander geredet haben, so haben sie doch zusammen geschwiegen. Am Donnerstag legten beide Seiten eine gemeinsame Schweigeminute für die Toten des Syrienkriegs ein. Über 100.000 Menschenleben hat der Konflikt bislang gefordert, präzisere Zahlenangaben sind derzeit nicht zu erhalten. Außerdem hat der Krieg 2,4 Millionen Syrer zu Flüchtlingen gemacht und dazu noch einmal 6,5 Millionen Menschen innerhalb von Syrien selbst entwurzelt.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Zahlreiche unabhängige Berichte, wie etwa die der Syrien-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats, weisen die Hauptverantwortung für die Kriegsopfer und das Leiden der Zivilbevölkerung ganz klar der Assad-Regierung zu. Aber auch einzelne Rebellengruppen stehen im Verdacht, Kriegsverbrechen verübt zu haben. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, Anknüpfungspunkte zwischen den Konfliktparteien auszumachen. Vermittler Brahimi sieht den größten gemeinsamen Nenner in der Abschlusserklärung der ersten Genfer Syrienkonferenz vom Juni 2012. Der darin festgehaltene Wunsch nach einem Ende der Gewalt und nach einer dauerhaften Lösung des Konflikts sei beiden Seiten gemeinsam.

Die Konfliktparteien beeilten sich in ihren Abschlusserklärungen erwartungsgemäß, das Trennende hervorzuheben und die abgrundtiefen Gräben aufzuzeigen, die sie weiterhin zu Gegnern machen. Der syrische Außenminister Walid al-Muallem findet Journalisten gegenüber kein positives Wort, weder über die Gespräche noch über die Gesprächspartner. "Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir keine greifbaren Ergebnisse erzielt haben", sagte er. Muallem macht dafür die Opposition verantwortlich, die "Gegenseite" wie er sie nennt. Sie wolle über nichts anderes als die Errichtung einer Übergangsregierung reden. Wie schon in Montreux sprach Außenminister Moallem den Oppositionsvertretern jede Legitimität ab. "Es gibt keine gemäßigte Opposition", erklärte er, es gibt nur Terrororganisationen."

Walid al-Muallem (Foto:Reuters)
Walid al-MuallemBild: Reuters

Einladung nach Genf

Auch die Opposition zeigte sich unversöhnlich, sah aber einen "kleinen Fortschritt" allein durch die Tatsache, dass die Regierung sich erstmals mit Vertretern der Rebellen an einen Tisch setzen und ihre Forderungen anhören musste. Die Nationale Koalition, das größte syrische Oppositionsbündnis, ist durch die Einladung nach Genf deutlich aufgewertet worden. Das sei der Lohn für den aktiven Kampf gegen Präsident Assad, meint Luai Safi, Sprecher der Nationalen Koalition in Genf. "Tatsache ist, dass das Regime gezwungen war nach Genf zu kommen und mit der Opposition zu sprechen, die die Hoffnungen der Syrer vertritt, weil das syrische Volk sich aufgelehnt hat."

Frieden braucht Zeit

Nach einwöchiger Unterbrechung sollen die Syriengespräche in Genf am 10. Februar in die zweite Runde gehen. Dieses Mal mit konkreter Tagesordnung und einer vorbereiteten Liste von Diskussions-Themen. Es bleibt fraglich, ob dieses Folgetreffen zu konkreten Ergebnissen führen kann, solange die Assad-Regierung die von allen Seiten angemahnten vertrauensbildenden Maßnahmen nicht durchführt. So haben die Genfer Gespräche bisher keinen erleichterten humanitären Zugang in Syrien gebracht, keinen Gefangenenaustausch und auch keine Waffenruhe.

Dafür aber haben während der acht Tage, die die Genfer Gespräche gedauert haben, 1900 Menschen in Syrien ihr Leben verloren, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet. UN-Vermittler Lakhdar Brahimi macht keinen Hehl daraus, dass die Ergebnisse der Gespräche sehr mager sind: "All den Syrern, die diesem schrecklichen Krieg ausgeliefert sind, muss unsere Arbeit viel zu langsam vorkommen", räumt er ein. "Ich verstehe das und sie haben ja Recht, aber wir wollen die grundlegenden Probleme lösen, die diesen Krieg ausgelöst haben und ihn weiterhin befeuern. Und das braucht leider Zeit."