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Berthold: "Zweikampf zwischen BVB und FCB"

Jefferson Chase14. September 2015

Er ist einer der WM-Helden von 1990: Thomas Berthold. Wir plaudern jede Woche mit ihm über die Bundesliga. Diesmal redet der DW-Fußballexperte Klartext über ausländisches Geld. Und wer in der Liga überraschen könnte.

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DW Fußball-Experte Thomas Berthold
Bild: DW/S. Focke

Bertholds Bundesliga: Ist die Liga on Sale?

DW: Dortmund hat einen fantastischen Saisonstart hingelegt. Aber kann der BVB oder irgendein andere Verein Bayern München tatsächlich die Meisterschaft streitig machen?

Thomas Berthold: Ich denke, dass es dieses Jahr in der Liga auf einen Zweikampf zwischen Dortmund und Bayern hinausläuft. Dortmund ist wieder in der Spur. Der Klub hat einen neuen Trainer - es gibt also andere Kabinenansprachen und neue Motivationstricks. Was das für einen Unterschied ausmacht, ist bei Mkhitaryan zu sehen. Er ist ein komplett neuer Spieler. Die letzten beiden Jahre wirkte er verloren. Jetzt aber kommt sein großes Potential zum Vorschein. Ein anderer Grund scheint mir zu sein, dass das Team jetzt sehr fit ist. Letztes Jahr gab es einige Diskussionen über übergewichtige Spieler und ich weiß, dass das Thema Ernährung für Thomas Tuchel ganz wichtig ist. Für unsere Liga ist es gut, dass zumindest zwei Vereine um die Meisterschale spielen.

Englische Klubs haben in der Transferperiode astronomische Summen für Kevin de Bruyne und andere ehemalige Bundesligaspieler gezahlt. In wie fern beeinflusst das Geld aus der Premier League die Bundesliga?

Wir haben sehr viel Geld von der Premier League bekommen. Und wenn wir es weise investieren, können wir auch wettbewerbsfähig bleiben. Sehen Sie sich die spanische Liga an, die die UEFA- Fünfjahreswertung derzeit uneinholbar anführt. Beim Fußball geht es nicht nur ums Geld. Man kann keinen Erfolg kaufen. Sonst würden die englischen Klubs jedes Jahr die Champions und die Europa League gewinnen. Das Geld bedacht investieren, den eigenen Nachwuchs fördern und die passenden Spieler sichten - all das ist entscheidend.

Wo sehen Sie die Bundesliga im internationalen Vergleich?

Laut UEFA steht Deutschland und die Bundesliga derzeit auf Rang zwei. Aber es ist schwer zu sagen, dass die eine oder die andere Liga besser ist. Ich würde sagen, die spanische Liga ist weltweit die Beste, weil spanische Vereine zuletzt die großen Wettbewerbe gewonnen haben. Aber es ist eng zwischen den Deutschen, den Engländern und Italienern, die jetzt wieder aufholen.

Von welchem jungen Bundesligaspieler sind Sie besonders beeindruckt?

Die Liga hat sehr viele junge Spieler hervorragend ausgebildet. Unter dem ehemaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder hat sich die Nachwuchsförderung in Deutschland fest etabliert. Ich mag Johannes Geis, der in diesem Sommer von Mainz zu Schalke gewechselt ist. Er ist ein interessanter Spieler, der jetzt bei einem der großen Vereine unter Vertrag steht. Ein guter Typ mit einem tollem rechten Fuß.

Twente Enschede Schalke 04 Johannes Geis
Geis: "Guter Typ tollem rechten Fuß"Bild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

Sollten mehr junge Spieler im Ausland spielen so wie Sie damals? Würden Sie dazu raten?

Ich ging ja damals nach Italien, damals die beste Liga der Welt. Für mich war das eine große Sache Deutschland zu verlassen und in der weltbesten Liga zu kicken. Zu der Zeit waren ja nur zwei ausländische Spieler pro Team erlaubt. Das ist heute ganz anders. In Deutschland gibt es ja keine Beschränkungen. Aber für die Nationalmannschaft ist es sehr wichtig, dass die Profis im Ausland spielen, besonders auch für die großen Klubs. Da lernt man dann den wirklichen Druck kennen, dein Auftreten und Benehmen sind wichtig. Es macht einen enormen Unterschied für deine eigene persönliche Entwicklung, ob Du für einen großen Klub und in der Champions League oder einem kleinen Verein in der Bundesliga spielst. Es bringt Dich persönlich als auch als Fußballer enorm weiter.

Also sollten ihrer Meinung nach Spieler, die groß rauskommen wollen, bei einem Klub im Ausland anheuern, wie beispielsweise Arsenal …?

Arsenal ist ein sehr gutes Beispiel. Ich kenne Arsene Wenger sehr gut. Und wenn man sich Arsenals Nachwuchsteam anschaut, findet man dort viele deutsche Spieler. Arsene Wenger verfolgt sehr intensiv den deutschen Markt, auch die jungen deutschen Mannschaften.

Serge Gnabry Archiv 2013
Gnabry - einer von vielen jungen Deutschen im AuslandBild: Friedemann Vogel/Bongarts/Getty Images

Bertholds Bundesliga: Ist die Liga on Sale?

Wer wird denn dieses Jahr positiv überraschen und wer wird absteigen?

Tja, Darmstadt und Ingolstadt sind vielversprechend gestartet. Aber das war bei Paderborn in der vergangenen Saison genauso. Tolle Hinrunde, aber in der zweiten Saisonhälfte hat der Aufsteiger fast alle Partien verloren. Als ehemaliger Stuttgarter Profi bin ich sehr enttäuscht vom VfB. Er ist gerade so eben der Relegation entkommen im letzten Jahr und hat nun einen neuen Manager und eine neue Philosophie. Es ist sehr frustrierend ihn jetzt am Tabellenende mit Mönchengladbach zu sehen. Und die Gladbacher erinnern mich ein bisschen an die Dortmunder der vergangenen Saison.

Aber wer ist ihr positives Überraschungsteam? Und die Bayern zählen nicht…

Vielleicht Eintracht Frankfurt. Der Verein hat einige gute Transfers getätigt und es scheint, als passen sie gut zusammen. Die Spieler haben sich schnell als Team gefunden.

Ohne eine Frage zu ihrem ehemaligen Klub Stuttgart kann ich Sie nicht gehen lassen. Auf dem Papier sollte er viel besser sein als er es derzeit ist. Was ist das Problem?

Meiner Meinung nach ist das Team im Angriff und der Abwehr nicht gleichwertig bestückt. Stuttgart hat viele Offensivkräfte - wie Maxim oder Ginczek zum Beispiel - mit großem Potential. Aber wenn die Mannschaft nicht ausgewogen ist und die Defensive schwächelt… Es hilft nicht vier oder fünf Tore zu erzielen, wenn Du hinten sechs kassierst. Hinten ist der VfB offen wie eine Schleuse. Und wenn er nicht das System ändert, bekommt er diese Saison große Probleme.

Fußball-WM 1990: Brehme, Berthold und Klinsmann
WM-Titel 1990: Berthold (2.v.l.) mit Brehme (r.) und KlinsmannBild: picture-alliance/dpa

DW-Fußballexperte Thomas Berthold, Jahrgang 1964, wurde 1990 in Italien mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister. Der Verteidiger, der während seiner Karriere für Eintracht Frankfurt, Hellas Verona, AS Rom, Bayern München und den VfB Stuttgart spielte, bestritt zwischen 1985 und 1994 insgesamt 62 Länderspiele, darunter 18 WM-Spiele.

Das Interview führte Jefferson Chase.