Bernhard Gertz: Bundeswehr sollte sich keine "weiteren Engagements anlachen"
20. Dezember 2005"So, wie wir heute aufgestellt sind, haben wir unsere Grenzen erreicht. Ich möchte deshalb kräftig davor warnen, dass wir uns weitere Engagements anlachen, die, wie auf dem Balkan oder in Afghanistan, womöglich Jahrzehnte dauern." Das sagte der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes, Bernhard Gertz, in einem Interview von DW-WORLD. Erst wenn der Transformationsprozess der Bundeswehr in fünf Jahren ende, "wollen wir deutlich mehr Soldaten für Auslandseinsätze verfügbar machen, um auch die Belastungen gerechter auf mehr Soldaten verteilen zu können". Gertz bescheinigte dem neuen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), "sehr zielorientiert an die neue Aufgabe heranzugehen und sich ganz bewusst den Soldaten zuzuwenden. Das ist für den Minister schon ein guter Einstand."
Mit Blick auf das Treffen des CDU-Ministers mit dem US-amerikanischen Amtskollegen am gestrigen Montag in Washington sagte Gertz, es werde "schwer sein, diese besondere Sympathie durch Taten zu beweisen. Denn etwa bei der Frage des Einsatzes deutscher Soldaten im Irak wird auch die Bundesregierung den klaren Standpunkt vertreten: Wir schicken da keine Soldaten hin. Das wird sich auch nicht ändern." Er sehe keine "großen Möglichkeiten, Jungs in Washington vorgetragenen Wunsch nach einem vertrauensvolleren Verhältnis handfest zu untermauern".
Als ein "ernst zu nehmendes Problem" bezeichnete Gertz posttraumatische Störungen, die bei Bundeswehr-Soldaten oft erst eine ganze Weile nach dem Einsatz aufträten. Nach Schätzungen des BundeswehrVerbandes leiden fünf Prozent der im Ausland eingesetzten Soldaten unter psychischen Problemen. Gertz: "Deshalb hat das Ministerium noch unter der Leitung von Peter Struck auf unsere Empfehlung hin ab Oktober 2005 die Dauer des Kontingent-Einsatzes von sechs Monaten auf vier Monate reduziert. Denn ab dem vierten Monat sinken die physische Einsatzfähigkeit und psychische Belastbarkeit signifikant." Es wäre "höchst unklug, dieses oft unter den Betroffenen verdrängte Problem klein zu reden. Dann hätten wir bald ein viel gravierenderes Problem", so der Vorsitzende des Verbandes weiter.
20. Dezember 2005
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