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Berlusconi schaut nach Europa

Veronica Over11. Februar 2014

Italiens ehemaliger Ministerpräsident muss sich seit Dienstag (11.02.2014) erneut vor Gericht verantworten. Im Hintergrund bereitet er aber schon sein Comeback vor - diesmal auf europäischer Ebene.

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Silvio Berlusconi will bei den Wahlen zum Europaparlament antreten
Bild: Getty Images

Wer ihn kennt, hätte es sich fast denken können: Silvio Berlusconi gibt nicht auf, sondern plant sein Comeback - er will bei der Europawahl im Mai antreten. Angekündigt hat er das bereits Mitte Januar während einer Versammlung mit den Mitgliedern seiner neu gegründeten - oder besser gesagt wieder gegründeten - Partei Forza Italia. Ob Berlusconi seine Ankündigung umsetzen kann, ist allerdings noch nicht entschieden: Eigentlich verbietet ihm ein Gesetz die Kandidatur.

Die Rede ist vom sogenannten "Legge Severino". Das Gesetz sieht ein sechsjähriges Kandidaturverbot für Verurteilte vor. Und Berlusconi fällt unter dieses Gesetz: Im Juni vergangenen Jahres ist er in erster Instanz wegen Prostitution von Minderjährigen und Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Hinzu kommt noch das aus einem zweiten Prozess stammende Urteil, mit dem gegen den früheren italienischen Ministerpräsidenten ein zweijähriges Verbot zur Ausübung öffentlicher Ämter verhängt wurde. Berlusconi aber hofft, einen Weg gefunden zu haben, diese Verbote zu umgehen.

Letzte Chance - der Europäische Gerichtshof

Italienischen Medienberichten zufolge arbeiten seine Anwälte schon seit längerem an einem Plan, wie man das Severino-Gesetz umgehen kann. Und der führe paradoxerweise vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, bei dem Berlusconi bereits ein Berufungsverfahren eingeleitet hat. Berlusconi beruft sich darauf, dass angeblich weder ein europaweites Gesetz noch ein Präzedenzfall, der einem Verurteilten eine Kandidatur untersagt, existiere. Der "Cavaliere" hofft daher auf eine Aussetzung des Verbots. Ein großes Problem hat Berlusconi allerdings: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs - wie auch immer es aussehen wird - wird wohl nicht mehr rechtzeitig vor den Europawahlen fallen.

Aber Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er nicht auch für diesen Fall schon einen Ersatzplan in der Schublade hätte. Und der klingt beinahe noch abenteuerlicher: Sein Weg nach Brüssel könnte über einen anderen Mitgliedstaat führen. Denn angeblich haben sich Länder wie Malta und Bulgarien dazu bereit erklärt, ihn als Kandidaten für das Europaparlament aufzustellen. Wäre das überhaupt möglich? "Die Antwort ist 'Nein', wenn er versuchen würde, einfach nur im Ausland zu kandidieren, und 'Ja', wenn er die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates annähme.", sagt Stefano Polli von der Nachrichtenagentur Ansa. Zumindest in der Theorie würde das so funktionieren. Polli: "Tatsache ist, dass die Lage schwierig einzuschätzen ist, da es in Europa bisher noch nie zuvor zu einer solchen Situation gekommen ist."

Forza Italia Hauptquartier in Rom
Das Hauptquartier der wiedergegründeten Partei "Forza Italia"Bild: DW

Parteifreunde bauen auf Berlusconi

Dass Berlusconi einen Wahlkampf für einen anderen EU-Staat führen würde, halten seine Anhänger für unwahrscheinlich. "Ich glaube kaum, dass Berlusconi das tun wird", sagt Sandro Biasotti, italienischer Parlamentsabgeordneter von Forza Italia. "Er ist Italien zu treu ergeben. Er liebt es. Wir hoffen bis zuletzt auf den EU-Gerichtshof, aber die Zeit ist knapp." Für Biasotti wäre es nur logisch, mit Berlusconi in den Europawahlkampf zu ziehen. "Er ist immerhin der Chef unserer Partei."

Sandro Biasotti Abgeordneter Italien
Sandro Biasotti, italienischer Parlamentsabgeordneter von Forza ItaliaBild: privat

Dabei galt Berlusconi bis vor kurzem als EU-Skeptiker. Das sieht Biasotti so: "Wir wollen uns nur gegen den harten EU-Kurs in der Krisenbewältigung durchsetzen." Eine Spitze, vor allen gegen Deutschland, wohin man mit Respekt, aber auch Argwohn schaut. "Deutschland hatte in den letzten Jahren eine dominante Position." Eine zu dominante, findet Biasotti. "Italien kann, genauso wie Griechenland, Frankreich und Spanien die Kriterien des Stabilitätspaktes nicht einhalten. Für uns heißt das Rezession. Aber wir können nicht sterben, um den Stabilitätspakt einzuhalten." Deshalb fordert Biasotti eine Lockerung der Stabilitätskriterien, damit man endlich aus der Krise herauskomme. "Das muss auch Deutschland einsehen."

Sorge in der Europäischen Volkspartei

Dass Berlusconi persönlich in das EU-Parlament einziehen wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber gewiss ist, dass er - wenn auch hinter den Kulissen - das politische Geschehen in Europa mitbestimmen wird. Nicht zuletzt durch die Rehabilitierung im Inland: Dank des Abkommens mit dem neuen Parteisekretär der linken "Partito Democratico" ist der vor ein paar Monaten politisch totgesagte Berlusconi wieder mittendrin in der innenpolitischen Szene. Und das könnte ihm und seiner Forza Italia nicht unerhebliche Stimmen für das Europaparlament einbringen. Die neuesten Umfragen zur Europawahl sehen die Forza Italia als eine der stärksten Parteien des Landes.

Doch wie hat Brüssel diese Nachricht aufgenommen? "Das Thema ist hier gar nicht erst zur Sprache gekommen, da niemand für das EU-Parlament kandidieren kann, der rechtskräftig zu mehr als vier Jahren verurteilt worden ist. In Brüssel ist man weit weg von solch politischem Klatsch", sagt Erminia Mazzoni, italienische Euroabgeordnete der Europäischen Volkspartei, der auch Forza Italia angehören würde. "Was uns eher zu denken gibt", so Mazzoni, "ist die Frage, wie die Forza Italia sich innerhalb der EVP eingliedern wird". Denn Berlusconi habe eine Partei wieder aufgebaut, die auf Grundsätzen basiert, die nicht mit den Werten und Prinzipien der EVP vereinbar seien. Und die Partei mache auch kein Geheimnis aus ihrer antieuropäischen Haltung. "Ob sich Berlusconi in Europa der von der EVP vorgegebenen Linie beugen wird, bezweifle ich.“

Erminia Mazzoni – Italienische Abgeordnete der Europäischen Volkspartei
Erminia Mazzoni – Italienische Abgeordnete der Europäischen VolksparteiBild: www.erminiamazzoni.it