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Kulturexport aus Berlin

Dirk Schneider 19. Dezember 2006

Nach über zehn Jahren sind Jeans Team noch immer nicht Mainstream, bleiben der Einfachheit treu - und werden im höheren Kulturauftrag um die Welt geschickt.

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Reimo Herfort, Franz Schütte, Henning Wattkinson und Gunther Kreis mit ihren Instrumenten
Noch zu viert: Gunther Kreis arbeitet heute mehr in der FilmbrancheBild: Jeans Team
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Das ehemalige Ladenschild, das der Band ihren Namen gab

Henning Watkinson, Franz Schütte und Reimo Herfort sind das Jeans Team. Sie sitzen im alten Hochbunker am Hamburger Heiligengeistfeld, wo sie am Abend auftreten werden. Wie immer vor dem blauen Neon-Schriftzug "Jeans Team", den sie in den 1990er Jahren im Berliner Stadtteil Wedding über einem leeren Laden entdeckt haben. Er hat der Band den Namen gegeben und wird seither immer mitgeschleppt. Wie oft er schon repariert wurde, hat niemand gezählt.

Kulturexport statt Popstars

Das Jeans Team hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Als sich die Band im Umfeld der Galerie Berlin-Tokio in den Hackeschen Höfen vor gut zehn Jahren gründete, galten diese noch als Labor der jungen Hauptstadt. Die großen Plattenfirmen saßen noch in Hamburg und Köln, auch die Musikmesse Popkom fand noch jeden Sommer am Rhein statt. Berlin war künstlerisch und musikalisch alles andere als arriviert und sein Sound klang entsprechend roh und galt nicht als Charts-tauglich. Jeans Team wirkte als die Berlin-Mitte-Band stilprägend.

Mit "Keine Melodien" hatte das Jeans Team trotzdem einen echten Hit, das Video dazu lief im Musikfernsehen rauf und runter und die Single verkaufte sich 15.000 Mal. Jeans Team tourte um die halbe Welt, unter anderem im Auftrag des Goethe-Instituts. Die Band wurde dabei aber mehr als Kulturexport behandelt, weniger als Popstars.

"Wir nehmen den Ball auf, verfälschen ihn und schießen ihn weiter"

Bei dem nun erschienenen dritten Album mit dem Titel "Kopf auf" blieb die Band ihrem obersten Gestaltungsprinzip, der Einfachheit, treu. Beim Texten ihrer Lieder streichen sie "immer ganz viel weg. Immer wenn wir das Gefühl haben: Jetzt engt der Text den Hörer irgendwie ein." Jeans Team erinnert damit manchmal aufs Schönste an Künstler wie Kurt Schwitters, etwa wenn es um Wanderungen durch die eigene Wohnung geht, wie in ihrem Lied "Wandern".

Musikalische Vorbilder sind deutsche Gruppen wie Kraftwerk, Deutsch Amerikanische Freundschaft oder Der Plan. Bands, die nie zum Mainstream zählten, aber doch international erfolgreich waren. Vielleicht, weil sie in ihrer musikalischen und textlichen Einfachheit weltweit verstanden wurden. Jeans Team mögen "die Aura und die Energie", die diese Bewegung hat. "Die haben irgendwann mal einen Ball abgeschossen, und ich glaube wir nehmen ihn auf eine Art auf, verfälschen ihn und schießen ihn weiter."

Reimo Herfort, Franz Schütte, Henning Wattkinson und Gunther Kreis sitzen am Strand
Reimo Herfort, Franz Schütte, Henning Wattkinson und Gunther Kreis. Ihr neues Album komponierten sie nur noch als Trio.Bild: Jeans Team

Generalstreik ein Leben lang

Im Video zur Singleauskopplung "Das Zelt" ziehen die drei vom Jeans Team als Vagabunden durch Deutschland – eine Hommage an die Anfang des 20. Jahrhunderts gegründete anarchistische "Kundenbewegung". "Generalstreik ein Leben lang" war ihr Motto. Anstatt sich zu Tode zu arbeiten, sollten die Menschen sich lieber auf die Socken machen und die Welt kennen lernen. Bezeichnet man ihre eingängigen Refrains als Parolen, schrickt die Band aber gleich zurück: "Bei dem Wort Parolen denkt man natürlich sehr schnell an Politik. Und darum geht es bei uns nicht in erster Linie. Obwohl 'Kein Gott, kein Staat, keine Arbeit, kein Geld' schon eine Parole ist." Obwohl Jeans Team auch Nonsense-Geschichten mag, könnten sie sich vorstellen, in ihrer Musik politischer zu werden, falls sich die Lage noch verschlechtert.

Berlin-Mitte hat das Jeans Team schon lange den Rücken gekehrt. Glas, Stahl, Luxuslabels und Berufsjugendlichkeit sind eben auf Dauer nicht besonders inspirierend. Das neue Studio liegt im benachbarten Wedding, und es wird schon gemunkelt, dass dies bald der neue Szene-Stadtteil sein wird.