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Alternative Stadtrundfahrt

Annika Zimmermann9. Mai 2012

Wer sich in Berlin schnell fortbewegen möchte, nimmt die U-Bahn. Wer aber oberirdisch die Sehenswürdigkeiten bewundern will, dem bietet die Hauptstadt reizvolle Möglichkeiten: rollend, schwebend und schwimmend.

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Fahrgastschiff auf der Spree, im Hintergrund das Bode Museum und der Berliner Fernsehturm.
Unterwegs in BerlinBild: DW

Hungrig beißt Stephanie Bart in ihre dritte Tafel Schokolade. Für ihren Job als Rikscha-Fahrerin braucht sie viel Energie. Auch an diesem Sonntagnachmittag ist Berlin voller Touristen; dicht an dicht drängeln sie sich über den Bücher-Flohmarkt vor der Humboldt Universität. "Wie wär's mit einer Fahrt zum Brandenburger Tor auf meiner Rikscha?", fragt Stephanie eine junge Familie. Seit zehn Jahren kutschiert sie Touristen und Einheimische auf ihrem "Fronti", wie sie ihre Rikscha liebevoll nennt. Bei Stephanie sitzen die Gäste vorne. So können sie den Panoramablick auf die Stadt genießen und den Erklärungen lauschen, während die verschiedenen Touristenattraktionen an ihnen vorbeiziehen.

Als Stephanie Bart mit dem Fahren anfing, war sie eine von wenigen Frauen in diesem Beruf. Von skeptischen Kommentaren unbeeindruckt kaufte sie sich nach zwei Jahren ihre eigene Rikscha und machte sich selbständig. Die unterschiedlichsten Menschen fahren seitdem bei Stephanie mit: vom Geschäftsmann, der zwischen zwei Terminen durch die Stadt hetzt, bis hin zum Prominenten, der vielleicht ein Bad in der Menge sucht. So ließ sich der deutsche Starfriseur Udo Walz schon einmal in Stephanies Rikscha bei einer Abendgala vorfahren.

Stephanie Bart mit 3 weiblichen Fahrgästen vor der Humboldt Universität auf der Strasse "Unter den Linden". Bild: Stephanie Bart zugeliefert von : Annika Zimmermann
Stephanie Bart mit Gästen in ihrer RikschaBild: Stephanie Bart

Ob berühmt oder nicht - am liebsten sind Stephanie Bart die Fahrgäste, die mit neuen Eindrücken begeistert nach Hause gehen. "Es gibt für mich nichts Schöneres, als draußen mit dem Fahrrad an der frischen Luft zu sein. Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht." Nur in den Wintermonaten steht ihre Rikscha still, dann muss Stephanie von ihren Ersparnissen leben.

Immer schön die Balance wahren

John dagegen ist nur zu Besuch in Berlin. Mit neun Anderen probiert der junge Brite eine Stadtführung auf Segways aus. Das aus den USA stammende Transportmittel wird elektrisch betrieben. Verlagert der Fahrer sein Gewicht, kann er steuern und sich vorwärts bewegen. "Das ist ein tolles Gefühl, so im Stehen durch die Stadt zu rollen!", sagt John. Dabei hatte er anfangs noch Bedenken, ob er das überhaupt kann. Nach einer kurzen Einführung fand er es dann aber erstaunlich einfach: "Es ist ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film. Man schwebt förmlich über die Straße."

Gruppe von stehenden Segway Fahrern vor dem Potsdamer Platz.
Segways sind angesagtBild: DW

Der Vorteil an so einer Tour ist, dass man selbst aktiv sein kann. Die Gruppe kann von festen Routen abweichen und sich frei und schnell in der Stadt bewegen. An den bekannten Berliner Sehenswürdigkeiten gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Segway-Anbietern. Einheimische und Touristen haben sich wohl noch nicht an das neue Straßengefährt gewöhnt. So bleiben regelmäßig Menschen stehen und drehen verwundert den Kopf, wenn eine Reihe Segway-Fahrer an ihnen vorüberzieht.

Kopf runter!

Weniger aktiv, dafür umso entspannender ist die Fahrt mit einem der vielen Fahrgastschiffe auf den Wasserwegen der Stadt. Touristen können sich bei Eisbein und Berliner Weisse zurücklehnen und die Metropole vom Wasser aus auf sich wirken lassen. Berlin bietet mehr als 180 Kilometer schiffbare Kanäle und etwa 1000 Brücken - das sind weit mehr als in Venedig. Ob eine kürzere Fahrt durch die Innenstadt oder ein ganzer Tag auf dem Wannsee: Der Reisegast kann es sich aussuchen, bei Bedarf inklusive Candlelight-Dinner und Feuerwerk.

Kapitän Detlef Nicolai auf seinem Schiff vor dem Berliner Dom.
Detlef NicolaiBild: DW

Seit 35 Jahren schon unterhält Detlef Nicolai Touristen mit Anekdoten aus der Geschichte Berlins. Er ist Kapitän und Moderator auf einem der Fahrgastschiffe - und ein echtes Berliner Urgestein. Sobald das Schiff Fahrt aufnimmt, fängt Detlef munter an zu erzählen. Zum Beispiel vom Schlossplatz, auf dem früher der berühmte Palast der Republik stand. Zu DDR-Zeiten tagte darin das Parlament und viele Kulturveranstaltungen wurden dort ausgerichtet. Im Volksmund hieß das Gebäude deshalb "Erichs Lampenladen": nach dem damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honnecker und weil darin so viele Deckenleuchten hingen.

"Und jetzt mal alle den Kopp einziehen, so 'ne Brücke tut mächtig weh anner Birne und kostet Geld", ruft Detlef. "Und sie wissen ja: Berlin ist arm, aber sexy!" Schallendes Gelächter unter den Fahrgästen. Da ist er, der ruppige Berliner Humor: weltbekannt, nicht immer geliebt, aber doch unverwechselbar. Während zwischen Dom und Kanzleramt die Sonne Stück für Stück verschwindet, wirken die Gäste verzaubert vom Charme der Stadt. Berlin ist eben immer für eine Überraschung gut.