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DFB weist Korruptionsvorwurf zurück

17. Oktober 2015

Haben die deutschen Organisatoren der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die entscheidenden Stimmen gekauft, damit das Turnier zu uns kommt? Wenn der "Spiegel"-Bericht stimmt, ist es ein schwerer Skandal. Der DFB dementiert.

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Fußball-WM 2006 - Organisationskomitee
Die Spitze des Organisationskomitees damals (von links): Vizepräsident Horst R. Schmidt, der damalige DFB-Chef Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach, damals PressechefBild: picture-alliance/dpa/DB Kunz

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat den Bericht über die Existenz einer Schwarzen Kasse im Zusammenhang mit der Bewerbung für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zurückgewiesen. Die Behauptungen des "Spiegel" seien "völlig haltlos", erklärte der Verband am Freitag. "Ebenso deutlich weist der Verband die durch keinerlei Fakten belegten Schlussfolgerungen der Autoren zurück, es seien in diesem Kontext Stimmen für die WM-Vergabe gekauft worden."

Der "Spiegel" beruft sich in seiner Berichterstattung auf vertrauliche Unterlagen. Ein Sprecher des Weltverbandes FIFA sagte unterdessen, die Vorwürfe würden geprüft.

Wer gehofft hatte, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach würde angesichts der Schwere der Vorwürfe vor die Journalisten treten, sah sich getäuscht. Immerhin sah sich der Deutsche Fußball-Bund dazu bewogen, ein zweites schriftliches Statement an einem Tag in dieser Angelegenheit zu veröffentlichen. Darin heißt es unter anderem mit Blick auf die damalige Funktion des deutschen Verbandschefs: "Mit aller Konsequenz hält der DFB deshalb nochmal ausdrücklich fest, dass weder der DFB-Präsident noch die anderen Mitglieder des Organisationskomitees in derartige Vorgänge involviert sein oder davon Kenntnis haben konnten." Der Verband behalte sich rechtliche Schritte gegen das Magazin vor.

Der Pressesprecher und der Chef

Niersbach war zur fraglichen Zeit DFB-Pressesprecher und ist durch die Berichterstattung ebenso wie der damalige Chef des Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, ins Visier geraten. Von Beckenbauer war zu dem Vorgang am Freitag erwartungsgemäß ebenfalls nichts zu hören.

Als die ersten Meldungen über die Geschichte des "Spiegel" am Freitag mittag kursierten, hatte der Deutsche Fußball-Bund bestätigt, dass es eine millionenschwere Zahlung an den Fußball-Weltverband gab, die jetzt Fragen aufwirft. Im April 2005 seien vom Organisationskomitee der Weltmeisterschaft 2006 rund 6,7 Millionen Euro an die Fifa überwiesen worden. Die Summe sei "möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck entsprechend verwendet" worden, erklärte der DFB auf seiner Homepage. Das Geld sei ursprünglich für das Fifa-Kulturprogramm vorgesehen gewesen. Dem "Spiegel" zufolge stammte dieses Geld aus der mutmaßlichen Schwarzen Kasse.

Geld von Louis-Dreyfus

Wie die Zeitschrift auf der Grundlage nicht näher bezeichneter "Informationen" berichtet, soll der damalige - und inzwischen verstorbene - Chef des Sportartikel-Konzerns Adidas, Robert Louis-Dreyfus, die Schwarze Kasse mit 10,3 Millionen Schweizer Franken - damals 13 Millionen Mark - gefüllt haben. Louis-Dreyfus soll dem deutschen Bewerbungsteam das Geld vor der WM-Entscheidung am 6. Juli 2000 als Privatmann heimlich geliehen haben. Es sei als Schmiergeld eingesetzt worden, um vier Stimmen der asiatischen Vertreter im 24-köpfigen FIFA-Exekutivkomitee für Deutschland als WM-Gastgeberland zu sichern. Deutschland hatte die Abstimmung mit 12:11 Stimmen gegen Südafrika gewonnen.

Gut eineinhalb Jahre vor Beginn der WM - so der "Spiegel" weiter - habe Louis-Dreyfus sein Darlehen allerdings zurückgefordert, nunmehr 6,7 Millionen in Euro. Dies sei über eine Zahlung an den Weltfußballverband FIFA geschehen, der das Geld an den Adidas-Chef weiterleiten sollte.

Symbolbild Sommermärchen
Ganz Deutschland feierte die WM - von "Sommermärchen" war die RedeBild: picture-alliance/dpa

Angesichts der Korruptionsvorwürfe gegen die FIFA - und sicher auch, weil die Gerüchte über Schmiergeldzahlungen nicht verstummen wollten - hatte der DFB nach eigener Darstellung eine interne Untersuchung der Vergabe der WM 2006 an Deutschland veranlasst. "Im Rahmen seiner Prüfungen hat der DFB keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gefunden", hieß es. "Ebenso wenig haben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Stimmen von Delegierten im Zuge des Bewerbungsverfahrens gekauft wurden." Auch die strittige Millionenzahlung stehe "in keinem Zusammenhang mit der bereits rund fünf Jahre zuvor erfolgten Vergabe".

Der Skandal um Korruption im Weltfußball erreicht damit auch Deutschland. Die USA haben Anklage gegen mehrere Fifa-Vertreter erhoben. Ihnen wird organisierte Kriminalität, Geldwäsche und Überweisungsbetrug im Zuge millionenschwerer Bestechungsprogramme zur Last gelegt.

"Ich kann es fast nicht glauben"

Fifa-Chef Sepp Blatter und sein möglicher Nachfolger Michel Platini von der Europäischen Fussbal-Union (UEFA) sind von der Ethikkommission des Weltverbandes vorübergehend von allen Funktionen enthoben worden. Beobachter halten es für möglich, dass auch der Deutsche Niersbach durch den Bericht als denkbarer Nachfolger an der FIFA-Spitze diskreditiert werden soll. Entsprechend äüßerte sich zum Beispiel der ehemalige FIFA-Mediendirektor Guido Tognoni. "Ich bin überrascht, dass der DFB in so eine Sache hineingezogen wird. Ich kann es fast nicht glauben - der Deutsche Fußball-Bund war für mich eigentlich immer ein Vorbild", sagte der heutige FIFA-Kritiker. Wenn sich bewahrheite, was der "Spiegel" behaupte, "dann müssen Köpfe rollen".

ml/SC (rtr,dpa,SID)