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Bereit für den Ernstfall

11. September 2003

Mit der Angst kommt die Vorbereitung auf das Schlimmste: In London wurde vor kurzem ein Giftgasanschlag auf das U-Bahn-Netz simuliert. Wie gehen andere Staaten mit der potenziellen Bedrohung um?

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Notwendige Übung oder Ausdruck übertriebener Angst?Bild: AP

Die Szene vom vergangenen Sonntag (7. September 2003)hätte aus einem drittklassigen Katastrophenfilm stammen können. Hunderte von Feuerwehrleuten und Erste-Hilfe-Teams, gesichert von schwer bewaffneten und in Schutzanzügen verpackten Polizisten, trugen vermeintlich Verletzte aus einer U-Bahn-Station im Londoner Finanzviertel. Die Angst geht um: Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat dieses filmreife Szenario einen ernsten Hintergrund.

Erstmals wollten die Behörden einer europäischen Metropole prüfen, ob Einsatzkräfte und Einwohner in der Lage sind, mit einem Terror-Angriff umzugehen. Das Giftgasattentat auf die Tokyoter Untergrundbahn von 1995 diente als Vorbild. Nach dem Alarmruf eines Zugführers rückten mehr als 500 Helfer aus und riegelten zunächst den gefährdeten Bereich zwischen den Haltestellen "Waterloo" und "Bank" hermetisch ab. Dann evakuierten sie nach und nach die von Freiwilligen gespielten Opfer aus dem rund 120 Meter tief gelegenen Bahntunnel. An der Erdoberfläche angekommen, wurden die "Verletzten" in speziellen Duschzelten dekontaminiert und dann in nahe Krankenhäuser abtransportiert.

Ein mulmiges Gefühl bleibt

Den Übungsleitern zufolge war das Hauptziel dieser Simulation, neue Diagnose- und Behandlungsmethoden zu testen sowie die Zusammenarbeit von Polizei, Feuerwehr und Sanitätern auf die Probe zu stellen. Obwohl die Aktion als erfolgreich angesehen wurde, blieb bei vielen Beteiligten das mulmige Gefühl, dass der Ernstfall ganz anders ablaufen könnte.

Dennoch glaubt Londons Bürgermeister Ken Livingstone, dass solche Tests einen praktischen Nutzen für den Ernstfall haben. "Uns ist durchaus bewusst, dass es fast unmöglich ist jemanden zu stoppen, der bereit ist, sein Leben zu opfern, um andere Menschen zu töten. Wir müssen wenigstens die Zahl der Opfer gering halten, wenn wir schon einen Attentäter nicht aufhalten können." Auch Mitglieder der britischen Regierung zeigten sich erfreut über den erfolgreichen Übungsverlauf. Doch Stimmen aus Oppositionsreihen kritisierten, dass die Behörden in den USA sehr viel besser auf alle Eventualitäten vorbereitet seien.

USA bereiten sich umfassend vor

In den USA wurden nach dem 11. September 2001 verschiedene Katastrophenszenarien durchgespielt - unter anderem Angriffe aus der Luft, der Ausbruch einer Seuche und sogar die Detonation einer Atombombe. Auch Großbritannien zählt zu den Ländern, die sich akut von terroristischen Angriffen bedroht fühlen. Nach einer Studie des "World Market Research Centers" belegt es unter den europäischen Nationen sogar den ersten Platz - wohl wegen seiner engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sowie seines Engagements in den Kriegen in Afghanistan und im Irak.

Die Zahl der Terrorwarnungen nehmen jedoch für ganz Europa zu. Je weiter der 11. September 2001 zurückliegt, desto wahrscheinlicher wird eine erneute, eventuell noch fatalere Attacke. Einige Experten sehen einen Anschlag auf Ziele in Europa als unvermeidlich an. Aufgedeckte Attentatspläne, bei denen quer durch den Kontinent Chemikalien und Giftstoffe sichergestellt wurden, scheinen diese These zu stützen.

Gemeinsame europäische Übungen

Die Europäische Kommission setzte im Oktober 2002 die Übung "Euratox 2002" an, bei der Krisentrupps aus Frankreich, Österreich, Spanien, Griechenland sowie Italien und Schweden den Umgang mit einem simulierten Giftstoffanschlag meistern mussten. Wie das deutsche Innenministerium die Deutsche Welle wissen ließ, würden solche Proben wie in London zwar in Betracht gezogen, konkrete Pläne lägen aber derzeit nicht vor.

Dafür schaffte die Bundesrepublik insgesamt 367 hochmoderne ABC-Spürfahrzeuge an, die bei einem eventuellen Anschlag zum Einsatz kommen. Ebenso wurden bereits 35 Millionen Pocken-Impfeinheiten angeschafft, genug für etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Nach und nach soll der Bestand aufgestockt werden, sodass notfalls alle Deutschen geimpft werden können. (ert)