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Beredtes Schweigen

5. Dezember 2001

Nach dem Wahlsieg seiner Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) hat der taiwanesische Präsident Chen Shui-bian China am Montag zur Normalisierung der Beziehungen aufgefordert. Peking hat der Wahlausgang überrascht.

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Taiwans Präsident Chen Shui-bian vor einem Porträt von Sun Yat-sen, dem Gründer der Republik ChinaBild: AP

Trügerische Hoffnungen

Pekings Strategen hatten gehofft, dass die neuen selbstbewussten Kräfte in Taiwan eine vorübergehende Erscheinung wären. Die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit vom Festland sollte taiwanesische Unabhängigkeitsbefürworter in die Knie zwingen. Beide Seiten sind kürzlich Mitglieder in der Welthandelsorganisation geworden. Um die taiwanesischen Wähler nicht in Chens Arme zu treiben, hatten sich die kommunistischen Propagandisten diesmal stark zurückgehalten: kein Säbelrasseln wie vor früheren Wahlen und keine Drohungen in Richtung Taipeh. Die Rechnung ging nicht auf. Die Kuomintang hält zwar wie Peking an der Idee eines einzigen chinesischen Staates fest. Die Partei erwies sich aber als verbrauchte Kraft.

Keine "dramatische Verschelchterung"

China hat den Urnengang bislang nicht offiziell kommentiert. Peking betrachtet Taiwan, das sich 1949 während des Bürgerkriegs abspaltete, als abtrünnige Provinz. Lediglich die englischsprachige Zeitung "China Daily", die sich vor allem an ausländische Leser richtet, zitierte im Parteiauftrag einen Politikwissenschaftler. Die Gewinne der Fortschrittspartei in Taipeh könnten zwar die Beziehungen zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan vorübergehend überschatten, so Li Jiaquan von Chinas Akademie für Sozialwissenschaften, aber eine "dramatische Verschlechterung" sei nicht zu befürchten.

Neue Strategien sind gefragt

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn mit der Fortschrittspartei des amtierenden Präsidenten Chen Shui-bian als stärkster Kraft im Parlament rücken die Chancen auf eine mögliche Wiedervereinigung in noch weitere Ferne als schon zuvor. Seit Chens Amtsantritt sind die Beziehungen über die Taiwan-Straße auf einen neuen Tiefpunkt gesunken, weil China jeden Dialog verweigert, so lange sein Alleinvertretungsanspruch nicht anerkannt wird. Nachdem Taiwans Wähler am Samstag für einen historischen Machtwechsel gestimmt haben, kann aber Chinas Führung die Fortschrittspartei schwer auf Dauer ignorieren. (im)