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Belarus ein Jahr nach der Wiederwahl Lukaschenkos

22. März 2007

Zwölf Monate nach den umstrittenen Wahlen in Belarus bleibt die innenpolitische Lage angespannt. Noch immer sitzen Oppositionelle wegen Aufrufen zu Protest in Haft. Unterdessen sucht die EU weiter den Dialog mit Minsk.

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Präsidentschaftswahl in Belarus am 19. März 2006Bild: BELAPAN

Am 19. März letzten Jahres fanden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt, aus denen der bisherige autoritäre Staatschef Aleksandr Lukaschenko als klarer Sieger hervorgegangen war. Nach Auffassung von Wahlbeobachtern verliefen die Wahlen damals weder fair noch frei. Rund 30.000 Menschen waren am Wahltag im März 2006 auf den Oktoberplatz in der belarussischen Hauptstadt Minsk gekommen. Die Hoffnungen auf einen Erfolg der Opposition waren groß, aber die Anstrengungen derjenigen, die ein Ende des Lukaschenko-Regimes wünschten, reichten nicht aus. Man verkündete den Wahlsieg des Präsidenten, die Demonstrationen wurden aufgelöst, es kam zu zahlreichen Verhaftungen.

Auch ein Jahr später gibt es praktisch keine Anzeichen dafür, dass das autoritäre Regime in Minsk sich dem Ende zuneigen wird. Erkennbar sind allenfalls wirtschaftliche Probleme, die sich nach dem Gas- und Ölstreit mit Russland abzeichnen. Kritiker des Regimes hoffen nun, dass mit einem Verfall der auf den von Moskau gewährten Privilegien gebauten wirtschaftlichen Stabilität auch das politische System ins Wanken gerät.

Die innenpolitische Situation in Belarus ist weiter katastrophal: Presse- und Meinungsfreiheit sind ausgehebelt, alle Medien stehen unter staatlicher Kontrolle, der Personenkult um Aleksandr Lukaschenko blüht, Parlament und Regierung sind willfährige Gehilfen des Präsidenten. Unabhängige Journalisten, Jugendverbände und Zivilgesellschaft sind Opfer staatlicher Repressionen. Verhaftungen, Verbote, administrative Sanktionen sind an der Tagesordnung. Es gibt politische Häftlinge und eine Anzahl bislang unaufgeklärter Fälle von Verschwundenen. Belarus ist das einzige Land Europas, in dem die Todesstrafe verhängt wird.

Opposition zerstritten, Menschen zufrieden

Vor allem fehlt ein ernstzunehmendes politisches Gegengewicht, die Opposition ist zersplittert und zerstritten. Bitter stellt einer ihrer führenden Köpfe, Anatolij Lebedko, daher fest: "Am 19. März 2006 hatten wir die Chance, eine Führungsperson in Belarus zu bekommen, die von allen anerkannt wird. Aus verschiedenen Gründen ist diese Chance nicht genutzt worden. Nach den Präsidentschaftswahlen haben wir lauter Einzelkämpfer. Eine Führungsperson gibt es nicht."

Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Markus Meckel sagt dazu: "Wir sehen mit Sorge, dass der Wettstreit untereinander so nicht mehr da ist, dabei ist es so wichtig, dass eine auch international anerkannte Person da ist. Es braucht ein gemeinsames Gesicht, eine Wahrnehmbarkeit. Ständiger Wechsel schwächt die Opposition, und leider schwächt sie sich in diesem Falle selbst."

Ähnlich wie beim großen Nachbarn Russland muss man freilich feststellen: Viele Menschen in Belarus sind mit den herrschenden Zuständen zufrieden. Auch wenn die Preise für Lebensmittel ständig ansteigen - Gehälter und Renten werden pünktlich gezahlt, wenn auch auf niedrigem Niveau, es herrschen Ruhe und Ordnung. Gerade den älteren Bürgern ist dies wichtiger als alle demokratischen Errungenschaften. Für manch einen verbindet sich mit dem Blick auf andere ehemalige Sowjetrepubliken Demokratisierung mit Chaos und sozialem Abstieg. Das Regime Lukaschenko aber ist für diese Menschen so etwas wie ein Garant der Stabilität.

Dialog mit EU unter Bedingungen

Bei der EU macht man sich Sorgen - immerhin ist Belarus direkter Nachbar der Union. Gleichwohl sind die konkreten Einwirkungsmöglichkeiten der europäischen Institutionen begrenzt. Die politischen Beziehungen sind reduziert, es gibt einige Visaverbote für Repräsentanten des Regimes, man hat Stipendienprogramme für Studenten aufgelegt und macht dem Regime Angebote: politische, ökonomische und kulturelle Unterstützung, freilich nur, wenn Minsk auch ein deutliches Signal der Demokratisierung setzt.

Dialog unter Bedingungen nennt sich das. Dazu der deutsche Europa-Abgeordnete Michael Gahler: "Wir haben nicht die Absicht, durch die Zusammenarbeit mit dem Regime diese Strukturen zu stützen. Wir sehen uns vor der Situation, dass die EU 50 Jahre Freiheit und Frieden feiert, und die Menschen in Belarus sind leider immer noch in Strukturen gefangen, die eben an die Zeit vor dem Berliner Mauerfall erinnern. Deswegen werden wir unsere Politik gegenüber Belarus danach ausrichten, wie man den Menschen in ihrem Kampf für Freiheit helfen kann. Dazu gehört eben auch unser Instrument für Demokratie und Menschenrechte, was wir jetzt neu eingerichtet haben. Dazu gehört, dass wir natürlich dem Regime gegenüber deutlich machen, dass es in einer Sackgasse ist, auch wirtschaftlich."

Der in Brüssel bestens bekannte und dort sehr geschätzte Oppositionspolitiker Aleksandr Milinkewitsch wird daher nicht müde, zu appellieren: "Europa sollte vor unserem Land auf keinen Fall die Türen verschließen. Die Zusammenarbeit ist möglich, und davon können die Menschen in Belarus profitieren. Es wird allen gut tun. Es ist sehr wichtig, dass die EU prinzipiell ihre Strategie aufrechterhält. Es sollten keine Kompromisse in den politischen Fragen gemacht werden".

Cornelia Rabitz
DW-RADIO/Russisch, 19.3.2007, Fokus Ost-Südost