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Beginn des Wahlmarathons

Heinrich Bergstresser15. April 2003

Die Partei von Präsident Olusegun Obasanjo hat nach vorläufigen Ergebnissen den ersten Teil des Wahlmarathons in Nigeria gewonnen. Die Wahlen werden als wichtiger Test für die Zukunft der Demokratie in Afrika gesehen.

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Sieger, erster Teil: Nigerias amtierender Präsident Olusegun ObasanjoBild: AP

Das mit 120 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Afrikas und der zugleich wichtigste Erdölproduzent auf dem Kontinent startete am Samstag (12.4.2003) einen Wahlmarathon, beginnend mit den Wahlen zu den beiden Häusern des Bundesparlamentes (National Assembly) - dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Eine Woche später stehen die Präsidentschaftswahl und die Wahl der Gouverneure der 36 Bundesstaaten auf dem Programm, gefolgt von den Wahlen zu den Parlamenten der Bundesstaaten Anfang Mai.

Friedlicher als erwartet

Die technischen und administrativen Vorbereitungen durch die Wahlkommission (INEC) waren bis kurz vor dem ersten Termin von Unzulänglichkeiten geprägt, denn die Ausgabe der Wahlscheine für die registrierten Wähler hat erst am Mittwoch (9.4.2003) begonnen und geht seitdem schleppend voran. Die INEC hat jedoch mehr als 60 Millionen Wähler registriert, denen ein Wahlschein zugeteilt werden musste. Des Weiteren erschütterten seit einigen Wochen ethnische Konflikte in mehreren Bundesstaaten, insbesondere im Erdölfördergebiet des Niger-Delta, das Land, und gefährden die Durchführung der Wahlen in diesen Gebieten. In einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache gratulierte
der Präsident den Nigerianern zu einer freien und fairen Wahl. Nach der Meinung von Wahlbeobachtern verlief die
Abstimmung friedlicher als erwartet.

Bei den Wahlen zum Bundesparlament entschieden die Wähler über insgesamt 469 Mandate für Senat und Repräsentantenhaus: Jeder der 36 Bundesstaaten ist in drei Senatswahlkreise unterteilt, das Bundesterritorium mit der Hauptstadt Abuja repräsentiert zusätzlich einen Senatssitz. Somit umfasst der Senat 109 Sitze. Darüber hinaus ist das Land in weitere 360 Wahlbezirke unterteilt, in denen jeweils ein Vertreter für das Repräsentantenhaus gewählt wird. Bei dieser Wahl gilt das Mehrheitswahlrecht, das heißt, der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen gewinnt das Mandat im Senat oder Repräsentantenhaus.

Kaum Änderungen bei der Mehrheit

In der Ende Mai zu Ende gehenden Legislaturperiode waren nur die drei 1998 zugelassenen Parteien PDP (People's Democratic Party), ANPP (All-Nigerian People's Party) und AD (Alliance for Democracy) am politischen Willensbildungsprozess beteiligt. Die PDP, der auch der amtierende Präsident Olusegun Obasanjo angehört, verfügte über die absolute Mehrheit in beiden Häusern des Bundesparlamentes, stellte damit auch den Senatsvorsitzenden und den Sprecher des Repräsentantenhauses.

Die Wahlkommission erklärte am Montag, die regierende Demokratische Volkspartei (PDP) habe im Repräsentantenhaus 119 Sitze erzielt. Sechs Oppositionsparteien teilten sich 92 Sitze. Im Senat kam die
PDP auf 33 Sitze, die Opposition auf 22. Obasanjo verbesserte damit seine Siegchancen für die Präsidentenwahl am Samstag.

Glaubwürdige neue Parteien

Die Wahlkommission hatte vor wenigen Monaten nach Protesten und Gerichtsverfahren 27 weitere Parteien zuließ. Diese Entscheidung wertet Axel Harneit-Sievers, Leiter der Heinrich Böll Stiftung in Nigeria, positiv: "Grundsätzlich finde ich es großartig, dass Regierung und Wahlkommission dazu gezwungen wurden - und zwar mit Urteil des obersten Gerichtshofs - weitere Parteien zuzulassen. Bislang wird das politische System im Wesentlichen von Parteien geprägt, die über keinerlei Programmatik verfügen, sondern von politischen Unternehmern als Instrument ihrer Karriere verwendet werden." Wenn das Monopol dieser Parteien geknackt werden könne, sagt Harneit-Sievers, sei das eine grundsätzlich positive Entwicklung. "Interessant finde ich vor allen Dingen an einigen dieser neuen Parteien, dass sie von Leuten gegründet worden sind, die als glaubwürdig gelten, weil sie aus der alten gegen die Militärregierung gerichteten Menschenrechtsbewegung stammen."

Die Chancen für die neu zugelassenen Parteien, das eine oder andere Mandat im Senat oder Repräsentantenhaus zu gewinnen, sind von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen äußerst gering. Für einige Parteien könnte ihre Stunde aber bei den Wahlen zu den Parlamenten der Bundesstaaten gekommen sein. Und sie könnten auf lokaler Ebene erfolgreich sein, sollten die überfälligen Kommunalwahlen im Laufe des Jahres doch noch stattfinden. Insgesamt aber werden die meisten Parteien nach dem Wahlmarathon genauso schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind.