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"Befehl erst beim dritten Mal verstanden"

1. Juli 2003

- Für zahlreiche Rekruten der lettischen Streitkräfte ist die lettische Sprache ein Problem

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Riga, 30.6.2003, DIENA, Webseite, lettisch

Aus Angaben, die die am staatlichen Programm für das Erlernen der lettischen Sprache (LVAVP) beteiligte Soziologin Sintija Smite vorgelegt hat, geht hervor, dass etwa 25 bis 30 Prozent der jungen Rekruten der lettischen Armee über Kenntnisse des Lettischen verfügen, die für den Militärdienst nicht ausreichen. Sogar nach Vorbereitungskursen verstehen die meisten von ihnen die Befehle oft nur, nachdem sie zum dritten Mal erteilt worden sind, was die Nerven der Kommandeure strapaziert und die Kampfbereitschaft schwierig macht.

"40 Prozent unserer derzeitigen Rekruten sind russischsprachig. Die meisten von ihnen beherrschen die lettische Sprache nicht gut genug. Das bringt Probleme für unsere Kampfbereitschaft mit sich und ist auf Mängel im Bildungssystem zurückzuführen, die wir nun wieder wettmachen müssen", sagt der Kommandeur der Versorgungskompanie des 2. Infanteriebataillons des Ausbildungszentrums Adazi, Hauptmann Vents Lapsenbergs. "Einige tun vielleicht nur so, als würden sie nicht verstehen, um einen Vorwand zu haben, den Befehl nicht ausführen zu müssen", erklärt Hauptmann Normunds Stafeckis, Presseoffizier im Ausbildungszentrum Adazi.

Die Kommandeure haben sieben Soldaten der Versorgungskompanie des 2. Infanteriebataillons des Ausbildungszentrums Adazi, die seit drei Monaten in dieser Kompanie dienen, zu einem Interview mit Journalisten eingeladen. Zusammen mit anderen lernen auch sie die lettische Sprache (drei Stunden die Woche, zehn Wochen lang, an Samstagen und Sonntagen sowie in ihrer Freizeit). Einige beklagen sich darüber, dass sie in einer schlechteren Lage seien als die Letten. Andere wiederum sind mit allem zufrieden.

Vladimirs Malinovskas (Absolvent des Gymnasiums Nr. 2 in Ludza, Ost-Lettland) ist der Meinung, dass schlechte Sprachkenntnisse durch körperliche Ertüchtigung wettgemacht werden können. Das sei in der Armee ohnehin das Wichtigste. Er hat vor seinem Militärdienst die Sprache recht gut gelernt und will in der Armee oder bei der Polizei Karriere machen. Igors Karatigins (Absolvent einer von Rigas Bildungseinrichtungen) war bei mehreren Gelegenheiten sogar wegen mangelnder Sprachkenntnisse gerügt und zu zusätzlicher Arbeit abkommandiert worden. "In der Schule lernten wir die Sprache nur sehr oberflächlich, ohne jeglichen Bezug zur Praxis. Es ging um Grammatik, Themen wie Familie, Theater, die eigene Stadt, in der Armee aber ist alles sehr spezifisch", sagt Igor. "Man muss Befehle verstehen, was im Falle eines Angriffs zu tun ist, wie ein Gewehr zusammenzusetzen und auseinander zu nehmen ist. Hinzu kommt, dass alle Teile ihre eigenen lettischen Namen haben. Sehr oft verstehen wir gar nichts."

"Wenn man uns nicht zwingen würde, die lettische Sprache hier bei der Armee zu lernen, dann würden wir sie viel schneller und besser lernen", sagt Vadims Visockis (...). "Nach dem Dienst werden wir an unsere Geburtsorte zurückkehren und die lettische Sprache vergessen", sagt Jevgenijs Veselovs. Seiner Meinung nach wird das Lettische im zivilen Leben nur gebraucht, wenn jemand einen interessanten Job hat, der diese Sprachkenntnisse erfordert. Keiner der jungen Männer plant zur Zeit eine Ausbildung an einer höheren Bildungseinrichtung. (...)

"Die Soldaten, die der Sprache nicht mächtig sind, kommen immer wieder aus den selben Schulen. Wenn man es wollte, könnte man sogar die Lettisch-Lehrer oder die zweisprachigen Klassen finden, die so schlecht unterrichten", erklärt der Kommandeur des Ausbildungszentrums Adazi, Oberstleutnant Ainars Ozolins. Anfangs habe man sogar an das Ministerium für Bildung und Wissenschaft (ZM) geschrieben und die schlechten Schulen aufgezählt, es habe sich aber nichts geändert. Also habe man aufgegeben.

Der Wehrdienstpflicht bei den Nationalen Streitkräften unterliegen zur Zeit 1700 Soldaten. Nach ihren Pässen sind 1200 von ihnen Letten, 400 Russen, 50 Polen, 20 Weißrussen, zehn Litauer und zehn Vertreter anderer Nationalitäten.

Quelle: Pressedienst des Verteidigungsministeriums. (TS)