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Brexit: Gefahr für die Umwelt

Nik Martin / okz24. Juni 2016

Befürworter des Austritts hatten gesagt, der Brexit würde unnötige Regularien kippen. Doch Gegner sehen darin eine Gefahr für Gesetze, die die Umwelt schützen.

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Briten demonstrieren an der Themse (Getty Images/ J. Taylor).
Bild: Getty Images/J. Taylor

Als der frühere Umweltminister Großbritanniens Owen Paterson kurz vor dem Referendum eine Rede in London hielt, sagte er, der Schutz von Küstengebieten und ländlichen Regionen würde weiterhin an erster Stelle stehen - auch wenn die Wähler sich dafür entschieden, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen solle. Das ist jetzt passiert. Patersons Aussage wird jetzt also auf die Probe gestellt werden.

Paterson, der sich für einen Brexit (den Austritts Großbritannien aus dem Block der 28 EU-Länder) starkgemacht hatte, prangerte an, dass die Umweltregularien der EU sich zwar auf dem Papier gut machen würden, aber es fast unmöglich sei, dieselben Regeln in komplett unterschiedlichen Regionen anzuwenden.

"Die EU-Regelung von Landaufschüttungen kam zum Beispiel zu Stande aufgrund der gerechtfertigten Sorgen über den Wasserstand in den niedriggelegenen Ländern", erklärte er. "Aber für die hügeligen Regionen im Westen und Norden von Großbritannien waren die Regelungen nicht angebracht. Das macht bei der Einheits-Mentalität in Brüssel nur keinen Unterschied. "

In seiner Rede behauptete der Politiker der Conservative Party, dass Großbritannien die progressiven Umweltregularien oft schon früh angewendet habe. Initiativen für den Verbleib Großbritanniens in der EU wiesen diese Behauptung zurück und entgegneten, dass die Küsten und natürlichen Lebensräume ohne die Beaufsichtigung der EU weniger geschützt gewesen wären.

"Wir waren in ein oder zwei Dingen der Zeit voraus - von schätzungsweise hunderten Bereichen, in denen wir Umweltvereinbarungen mit Europa haben", sagte Matthew Spencer, Direktor der Green Alliance, einem Umwelt Thinktank aus London.

A solitary ice-cream stand on Woolacombe beach, north Devon. (Photo: Ben Birchall/PA Wire)
Wahlkämpfer sagen, der Schutz von Stränden und Badegewässern würde bei einem Brexit über Nacht endenBild: picture-alliance/dpa/B. Birchall

Anfang des Jahres gab Green Alliance zusammen mit weiteren führenden Umweltgruppierungen eine Warnung über den Einfluss eines Brexits auf ländliche Gebiete Großbritanniens heraus.

In einem Brief an die Regierung des Vereinigte Königreichs hieß es, dass die EU-Politik Wasser- und Luftqualität verbessert, Wildtiere geschützt, und Standards für Kraftfahrzeug-Emissionen und Konsumgüter eingeführt hatte, wovon Gesellschaft und Natur profitiert haben.

Bürokratie "eine Schattenseite"

Trotzdem erzählte Paterson, der zu einer Schlüsselfigur im Kampf für den Brexit geworden ist, letzte Woche seinem Publikum, dass er persönlich Brüssels Bürokratie zu Spüren bekam, als er versuchte Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auszuhandeln.

Zur Debatte stand eine Regulierung, die 2015 zur Anwendung kam und Bauern mit mehr als 75 Hektar kultivierbarem Land vorschrieb, drei verschiedene Nutzpflanzen anzubauen.

"Das war nicht nur völlig unangemessen für die Landwirtschaft in Großbritannien, sondern auch unmöglich in Andalusien, wo im Juli bei 45 Grad Celsius nur Olivenbäume wachsen, und ebenso in Nordschweden, wo nur die Fichte im Januar bei minus 45 Grad Celsius wächst", so Paterson.

Ländliche Fördermittel in Gefahr?

In finanzieller Hinsicht, behaupten Brexit-Befürworter, würde Großbritannien 11 Milliarden Euro pro Jahr, die das Land aktuell für das EU-Budget ausgibt, sparen. Das Land bekommt zur Zeit von der EU aber auch Milliarden von Euro in Form von landwirtschaftlichen Subventionen und strukturellen Mitteln für ärmere Regionen.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht legt nahe, dass die GAP-Subventionen aus Brüssel für bis zu 60 Prozent des Einkommens von Bauern verantwortlich sind. Obwohl führende Brexit-Befürworter entgegnet haben, dass die Förderung bis 2020 garantiert sein würde, bleiben die Sorgen, dass die Fördermittel im Rahmen von britischen Sparprogrammen mehrmals beschnitten würden.

"Es ist sehr fraglich, ob Bauern die Subventionen überhaupt bekommen würden. Wenn das britische Finanzministerium sich durchsetzen würde, wären sie wahrscheinlich bei Null", sagte Sam Lowe von Friends of the Earth, einem Zusammenschluss unabhängiger Umweltverbände, der DW und fügt hinzu, dass die Abstimmung über den Brexit eine Atmosphäre von Unsicherheit und Spekulation kreiert.

Störche erfrischen sich ungestört an einem See (picture alliance/dpa/S.Junfeng).
Der Schutz von Vögeln und der Biodiversität könnte nach einem Brexit aufhörenBild: picture-alliance/dpa/S.Junfeng

Sollte Großbritannien austreten, gäbe es den EU-Verträgen entsprechend zwei Jahre lang Verhandlungen, um festzulegen, wie die Beziehung in Zukunft aussehen soll. Viele Experten erwarten, dass das Vereinigte Königreich ein Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wird und damit Zugang zum EU-Markt erhält, ohne Mitglied der EU zu sein, ähnlich wie aktuell Norwegen und die Schweiz. Dies würde bedeuten, dass Großbritannien immer noch die meisten, aber nicht alle, der Umweltregularien aus Brüssel umsetzen muss.

Lowe mahnt jedoch, dass auch eine Vereinbarung ähnlich der von Norwegen dazu führen würde, dass einige Umweltgesetze nicht mehr gelten, so wie etwa die Vögel- und Habitat-Richtlinie und die Badegewässer-Richtlinie. Umweltgruppierungen zufolge haben beide gefährdete Arten gerettet - damit wäre dann Schluss in Großbritannien.

Die Anführer der Brexit-Kampagne haben sich geschworen, das sogenannte Vorsorgeprinzip der EU abzuschaffen, bei dem Entscheidungsträger eine Politik vermeiden, die der Gesellschaft oder der Umwelt schaden könnte. Dadurch, sagen grüne Wahlkämpfer, wird Großbritannien - in der Zukunft - gefährliche Pestizide, die woanders verboten sind, genehmigen.

Gegenüber der DW erklärte Lowe: "Wenn wir uns wirklich den Herausforderungen der Zukunft widmen wollen, sei es Klimawandel, Zerstörung der Natur oder Luftverschmutzung, dann müssen wir zusammenfinden und gemeinsam dafür arbeiten. Unsere Mitsprache in der wahrscheinlich fortschrittlichsten Gemeinschaft von Nationen auf der Welt einzuschränken, würde negative Folgen haben - für uns und für die ganze Welt."